Reaktionen: Streit und öffentlicher Briefwechsel zwischen Benzenberg und Jung-Stilling
Siehe auch Jung-Stilling, Kästner und die Mathematik unter diesem URL.
Wie gewöhnlich sind es die Leser der Werke, die dann ihre Eindrücke über das Buch als Rezension publizieren.
Der erste und schärfste Kritiker war ein Bekannter Jung-Stillings, der sich jedoch zunächst hinter den Buchstaben "J. F. B." verbarg.
Es handelt sich hierbei um den in Schöller bei Wuppertal-Elberfeld am 5. Mai 1777 geborenen Johann Friedrich Benzenberg (gest. Bilk bei Düsseldorf 8. Juni 1846). Benzenberg immatrikulierte sich als Stud. theol. in Marburg am 29. April 1795, wandte sich später von der Theologie ab und studierte in Göttingen (imm. Nr. 18164: 27.10.1797) und Duisburg (imm. 22.11.1800) andere Fächer. Im Jahr 1805 wurde er Professor für Physik und Astronomie in Düsseldorf.
Unbekannt ist, warum er sich so sehr mit dem ihm bekannten Jung-Stilling anlegte, denn sein Artikel war ein Verriss der Stillingschen Arbeit.
Am Dienstag, dem 17. Dezember 1799, erschien im "Allgemeinen Litterarischen Anzeiger" sein Artikel "Ueber Hofraths Jung Beweis der Göttlichkeit der Offenbahrung Johannis aus der Astronomie und der Zahl 666", wie der Aufsatz im DBA (82, 375 = ADB 2, 348) zitiert wird.
"Nr. 198. Allgemeiner Litterarischer Anzeiger.
- Dienstags, am 17. December 1799."
(Der Titel wird durch eine Vignette unterbrochen.) Sp. 1985-1990. (Bogensignatur "1799. 249".)
Astronomische Bemerkungen über die Erklärung der Offenbarung Johannis vom HR. und Dr. Joh. Heinr. Jung in Marburg. *)
Dieser sagt in seiner Erklärung der Offenbarung Johannis: "Daß durch das bewundernswürdige Bengel'ische System von der Zahl 666 das Zweifelhafte in gewissen astronomischen Rechnungen berichtigt würde, weil es den Maßstab zu einem astronomischen System für den Lauf aller HimmelsKörper enthalte. Und -" fährt er fort - "wer das wichtige Buch: Bengel's Cyklus, oder sonderbare Betrachtung des großen Weltjahrs, oder auch nur das oft angeführte Carlsruher Buch **) aufmerksam lesen und studiren will, der kann unmöglich mehr an der Wahrheit und Richtigkeit der apokalyptischen Progression, aber auch an dann eben so wenig an der Göttlichkeit und ganz vorzüglichen Inspiration der Offenbarung Johannis zweifeln. - Denn kein Johannes in der Welt war im Stande, vor 1700 Jahren einen Schlüssel zu einem astronomischen System zu erfinden, zu dichten oder zu phantasieren, das man nur erst nach langsamen und mühsamen Fortschritten in diesem JahrHunderte so ziemlich ins Reine gebracht hat, und welches sogar durch jenen Schlüssel vollendet wird. Wen das nicht rührt, dem ist nicht zu helfen - ich kenne keinen stärkeren Beweis für die Göttlichkeit der Apokalypse, als diesen. - Wehe dem, der diese erhabene Weißsagung verwirft, oder nur gering schätzt, besonders, nachdem die Vorsehung auch noch diesen [Spalte 1986:] Grund des Glaubens hinzugethan hat. - - Dieses prophetische Rechnungssystem ist nicht allein in den Weißsagungen, sondern auch in den astronomischen Rechnungen von erstaunlicher Wirkung." - So weit HR. Jung.
Um dieses beurtheilen zu können, muß man sich erinnern, daß der verstorb. Bengel, als er an der Zahl 222 2/9 so merkwürdige Eigenschaften zu entdecken glaubte (da sie genau der 3. Theil von der Zahl 666 6/9 war), diese für die Zeit der Apokalypse hielt, und hieraus den großen Planeten Zyklus zu 1260 Zeiten annahm. Da nun jede Zeit 222 2/9 ErdenJahre enthielt, so waren 1260 Zeiten 280000 Jahre. - Diese 280000 Jahre waren nun sein großer Zyklus, in dem alle Planeten ihre Umläufe aufs vollkommenste vollenden sollten. - War dieses richtig, so erhielt man die durch aufs genaueste: 1. Ihre wahren mittlern Umläufe. 2. Ihre wahre mittlere Entfernung, nach den Kepler'ischen Gesetzen 3. Würde dieses lauter Fixpunkte in den UmlaufsZeiten der Satelliten und Kometen gegeben haben, weil zu vermuthen war, daß auch diese HimmelsKörper eine gewisse Anzahl von Umläufen in dem großen Cyclus genau vollenden würden. Und endlich 4. wären wir hier vermuthlich auf die Spur von einem sehr wichtigen NaturGesetze gekommen.
Das mittlere ErdenJahr wurde in diesem Cyclus zu 365 Tagen, 5 Stund., 49 Min., 12 Sek. angenommen. - Diese Bestimmung weicht von den neuesten Berechnungen der Schiefe der Ekliptik und des mittlern ErdenJahrs vom Prof. Friedr. Theod. Schubert in St. Petersburg im 27. Sekunden ab.
[Die beiden Anmerkungen reichen über beide Spalten am Seitenfuß hin:]
*) S. 6, 21, 22 und 403 der Siegesgeschichte der Religion Jesu in einer gemeinnüzigen Erklärung der Offenbarung Johannis. Nürnberg, in der Rawschen Buchhandlung 1799. 8. (Vom HofRath Jung in Marburg; nach der vor einigen Monaten angekündigten Holländischen Uebersetzung.) J. F. B.
**) Einleitung zu näherer und deutlicher Aufklärung der Offenbarung Johannis. Carlsruhe, bey Macklot 1784-8, vorzüglich S. 135. J. F. B.
[Tabelle Sp. 1987-1988 über beide Spalten reichend:]
Nach dem Cyklus erhielten die Planeten folgende mittlere tropische Jahre.
Umläufe in 280000 Jahren, jeden zu Tagen Stunden Minuten Sekunden
Merkur 1162557 — 87 23 14 1
Venus 455112 — 224 17 1 24
Erde 280000 — 365 5 49 12
Mars 148878 — 686 22 10 50
Jupiter 23616 — 4330 10 47 33
Saturn 9516 — 10746 22 36 28
[Spalte 1987:]
Wenn man diese Angaben mit de neuesten Astronomen, und vorzüglich mit Lalande
Joseph Jérôme Lalande (La Lande; genannt Le Fraçais) geb. Bourg-en-Bresse 11. Juli 1732, gest. Paris 4. April 1807.
vergleicht, so findet man, daß sie beträchtlich von disen abweichen. Beim Jupiter sind sie z. B. um 1 St. 49 Min. 6 Sek. zu groß, und beim Saturn um 2 Tage 8 St. 45 Min. 22 Sek. zu klein. - Das Jahr des Merkur's ist nach dem Cyklus 24 Sek. kleiner, als nach Lalande. Nun sind aber nur zwei Fälle möglich: Entweder sind die Angaben des Cyklus, oder die von Lalande falsch. Hierüber kann blos der Himmel entscheiden. Bei dem Vorübergange des Merkur's am 7. May 1799 wichen die Lalande'schen Merkurs Tafeln nur eine einzige Sekunde vom Himmel ab. - Und hieraus scheint zu folgen, daß die Behauptung des Hofraths J. S. 6: "daß diese prophetische Zeitrechnung das Zweifelhafte in gewissen astronomischen Rechnungen berichtige," wohl etwas gewagt sei. - Denn wenn die Astronomen genöthigt wären, nur ein JahrZehend die apokalyptischen astronomischen Angaben zu gebrauchen, so würde sich am Ende derselben wohl die Astronomie in einer totalen Anarchie befinden.
Einige Bemerkungen drängen sich beim Lesen dieser Schriften ganz unwillkührlich auf. 1. Es ist sonderbar, daß in dem angeführten Carlsruher Buche die Angaben des Cyklus nur mit den ältern ungewissen Angaben der Astronomen verglichen werden; z. B. eines Clavius, Lilius, Michael Touraine, Rivin, Ozanam, Garcaeus, Ricciolus, Tycho, Kepler, Bewereg, Tiedius, Hiparchus, Bullialet, Mastlin u. A., und nicht mir den neuern eines Lacaille, Lalande u. A. - Bengel'n war dieses zu verzeihen, denn er starb schon vor beinahe ½ JahrHunderte, aber der Verfasser des Carlsruher Buchs hätte es gekonnt und gesollt. - Es war ja nicht schwierig, aus den sehr abweichenden Angaben der ältern Astronomen immer eine herauszufinden, die sehr nahe mit dem Cyklus stimmte; und der Unterschied, der noch etwa blieb, wurde dann nicht auf die Rechnung des Cyklus, sondern auf die Rechnung der Astronomen gesetzt. - 2. Noch sonderbarer ist es, daß Hofrath Jung diese Vergleichung nicht angestellt hat. - Ihm, als Professor auf einer berühmten Universität, konnten die Schriften unserer berühmtesten Astronomen nicht unbekannt sein. Und hätte er sich die Mühe genommen, den Bengel'ischen Cyklus mit diesen zu vergleichen, so hätte er vermuthlich nicht [Sp. 1988:] S. 6 gesagt: "Daß die falsche Aufklärung dieses Licht mit Gewalt unter den Scheffel zu stellen suche, welches auch kein Wunder sei, weil man sonst zu viel dabei sehen möchte." - 3. Daß der Cyklus oft so schlecht mit den astronomischen Angaben stimmt, ist wohl weniger seine Schuld, als die seiner Gönner und Verehrer. - Da in dem ungeheuer großen Cyklus die Umläufe der Planeten willkührlich sind, so braucht man, wenn die Jahre zu groß werden, bloß die Umläufe zu vermehren, und wenn sie zu klein werden, ihre Anzahl zu vermindern - und dann stimmt schon alles besser. - Daß z. B. das Jahr des Merkur's 24 Sek. zu klein ist, rührt blos davon her, daß Bengel und seine Nachfolger dem Merkur zu viele Umläufe im großen Cyklus gaben. Hätten sie ihm statt 1162557 Umläufen nur 1162554 (also drei weniger) gegeben, so hätte das Jahr des Merkur's statt 14 Min. 1 Sek. schon 14 Min 21 Sek. bekommen, welches dann von Lalande nur um 3 Sek. abgewichen wäre, - Da der Cyklus außerordentlich groß ist, so macht ein Umlauf mehr oder weniger in dem MerkursJahre nur eine Aenderung von 7 Sek. Und man sieht leicht, daß, wenn auch die Astronomen ein Mal das Jahr des Merkur's um ein paar Stunden änderten, der Cyklus doch immer nachkommen würde. - Es ist auffallend, daß der neue Planet, der 30 Jahr nach Bengel's Tode entdeckt wurde, weder von dem Carlsruher (der 3 Jahre nachher schrieb) noch vom HofRath Jung (der 18 Jahr nach der Entdeckung desselben über Bengel's Cyklus sprach) unter Rechnung genommen worden ist.
Man glaube aber nicht, daß es deswegen geschehen sei, weil der Uranus, wegen seiner großen Jahre, mit dem Bengel'ischen Cyklus nicht stimmen wollte, denn er stimmt wirklich ungleich besser damit, als es Saturn thut. - Nach meiner Berechnung ist das tropische Jahr des Uranus, wenn man ihm 3359 Umläufe im Cyklus giebt, 83 Jahre, 150 Tage, 22 St., 28 Min., 15 Sek., 30 Tertien.. Diese Angabe weicht von der astronomischen nur 4 Stunden ab, da hingegen der Saturn schon um 2 Tage 8 Stunden abwich. Der Verfasser des Carlsruher Buchs zeigt hinlänglich, daß er diese Rechnungen kannte; daß er aber den Uranus nicht unter Rechnung nahm, ist völlig unerklärbar, oder man muß annehmen, daß das Mspt. einige Jahre vor dem Druck und vor der Entdeckung des Uranus fertig war. - Aber daß HR. Jung [Sp. 1989:] das Jahr des Uranus, der schon so lange entdeckt war, nicht (zum Vortheil der Astronomie) bis auf die kleinsten ZeitTheile genau berechnete, davon weiß sich Einsenders dieses keinen befriedigenden Grund zu denken. Denn an Kenntnissen und Muße zu diesen Rechnungen konnte es ihm doch wahrlich nicht fehlen, da sie sich ganz bequem in einer einzigen Stunde machen lassen. Und wie ungleich frappanter hätte dann (S. 403) gesagt werden können: "Daß das System von erstaunlicher Wirkung in den astronomischen Berechnungen sei." - Und wie viel hätte dadurch der Beweis für die Wahrheit der Bengel'ischen Cyklus und die Inspiration der Offenbarung Johannis gewonnen, wenn er gesagt hätte: daß selbst der neue Planet, der erst 30 Jahre nach Bengel's Tode entdeckt wurde, daß selbst auch dieser die Inspiration dieses Schlüssels zum PlanetenCyklus und den Cyklus selbst so auffallend bestätige. - Die Willkürlichkeit der Umläufe falle beim Uranus weg, da wegen seiner großen Jahre schon ein Umlauf mehr oder weniger einen Unterschied von 9 Tagen mache. - Die 4 Stunden Differenz zwischen dem Cyklus und den astronomischen Angaben läge bloß an der Unbestimmtheit von letztern. - -
Ich schließe ,diese Zeilen mit der traurigen Bemerkung, daß, da der HofR. Jung den Bengel'ischen Cyklus nicht sorgfältiger mit unsern ersten Astronomen verglichen hat, ein Irrthum aufs neue verbreitet worden, der um so gefährlicher ist, da sich ihn die wenigsten Leser der SiegesGeschichte enträthseln können. - Die lebhafte starke Sprache, die in seinem Vortrag herrscht, die Bestimmtheit, mit welcher er die unumstößliche Wahrheit desselben behauptet, die wichtigen Folgerungen, welcher daraus gezogen werden, verschaffen der Sache eine Celebrität und ein Ansehen, welches selbst gute Köpfe in Verlegenheit setzt, die gerade in diesem Fache keine ausgebreiteten Kenntnisse besitzen. - Das Feld der Mathematik und der Astronomie bleibt denn doch immer ein sehr ungünstiges Terrain für oberflächliche Kenntnisse und unbestimmte Deklamationen, da man hier mehr als in jeder andern Wissenschaft der Gefahr ausgesetzt ist, sich Blößen zu geben, die nur zu leicht auffallend, und dann - (durch die wichtige Miene beim Vortrage) lächerlich werden. - Geogenie, kritische Philosophie, antiphlogistische Chemie, Brownianismus und Französische Revolution sind das Feld, wo bei geringen Kenntnissen und einer sehr beschränkten Uebersicht der Dinge, aber einer großen Gabe zu deklamiren, sich leicht das große Wort führen läßt, ohne daß man zu befürchten Ursache hat, von einem Manne von solidern, bescheidenern Kenntnissen etwas unsanft, ehe man es sich versieht, ad absurdum geführt zu werden. Diese Wahrheit ist aber auch so allgemein anerkannt, daß man oft Männer über den Vulkanismus der Basalte, über das Setzen des Ichs, über Legislaturen, über die Basis des Azat, und über die Reitzbarkeit der Brownianer sprechen hört, welche sich gewiß kein Urtheil über [Sp. 1990:] einen neuen Beweis für den Pythagoräischen LehrSatz würden erlaubt haben, gesetzt auch, daß sie doppelt so viel Mathematik verstanden hatten, als sie jetzt kritische Philosophie, Geogenie und Chemie verstanden. - Daß aber diejenigen, welche am wenigsten im Stande sind, über eine Sache zu urtheilen, immer am redseligsten darüber sprechen, ist so ganz in der Regel, daß es Mangel an WeltKenntniß verrathen würde, wenn man dieses sonderbar fände. - Durch des HofRaths Behauptung S. 16 wird nun jede Erinnerung gegen das apokalyptische astronomische System schon im voraus entkräftet; weil Jeder, der sie wagt, zu den falschen Aufklärern gehört, welche das Licht unter den Scheffel stellen wollen. Wenn diese DenkungsArt allgemein würde, wie traurig sähe es dann um unser Forschen nach Wahrheit aus! - Was Wahrheit (nicht formaler Hinsicht) sei, darüber sind die edelsten und besten Menschen unsers ZeitAlters verschiedener Meinung. Aber wie Wahrheit gesucht und vorgetragen werden müsse, darüber sind sie einig. - Eine ruhige bescheidene Sprache, welche den Leser weder zu blenden, noch zu betäuben sucht, eine Sprache ohne glänzende Phrasen, ohne Anathemen und ohne S***Wörter, eine Sprache edel und einfach, so wie der verstorbene Garve sie sprach, überzeugt schon durch ihre bloße Form. - Denn diese verräth es schon, daß es demjenigen, welcher sie führt, bloß um die Wahrheit, nicht aber um Proselyten für seine Meinung zu thun sei.
J. F. B.
Näher zu seiner Heimat wiederholt Benzenberg – diesmal "J. F. B-g." unterzeichnend – seinen Angriff gegen Jung-Stilling in einer in Dortmund erscheinenden Zeitung am 4. Februar 1800:
"Der
westphälische
Anzeiger,
-
oder
vaterländisches Archiv
zur möglichstschnellen Verbreitung alles Wissenswürdigen und Nützlichen
für Menschenwohl, häusliche und bürgerliche Glückseligkeit, in
politischer und moralischer Hinsicht.
-
Vierter Band,
vom Jan. bis Juny 1800.
-
Dortmund,
bei den Gebrüdern Mallinckrodt
so wie auch bei allen Postämtern und Zeitungsexpeditionen posttäglich und in allen
Buchhandlungen monatlich zu haben."
"Num. 10.
Westphälischer Anzeiger.
-
Dienstags, den 4ten Februar 1800."
Sp. 145-160, Sp. 153-156:
"Astronomische Berichtigung. / Der Herr Hofrath Jung in Mar= / burg sagt in seiner Erklärung der Of= / fenbahrung Johannis, welche in diesem / Jahr bei Raw in Nürnberg erschien: / "Daß durch das bewunderungswürdige / "Bengelsche System von der Zahl 666 / "das Zweifelhafte in gewissen astronomi= / "schen Rechnungen berichtigt würde, weil / " es den Maaßstab zu einem astronomi= / "schen System für den Lauf aller Pla= / "neten enthalte.
"Und - fährt er fort - wer die= / "des (den Bengelschen Cyclus) aufmerk= / "sam lesen und studiren will, der kann / "unmöglich mehr an der Wahrheit und / "Richtigkeit der apokaliptischen Progres= / "sion, aber auch dann eben so wenig / "an der Göttlichkeit und ganz vorzüg= / "lichen Ispiration der Offenbahrung / "Johannis zweifeln. -
"Denn kein Johannes in der Welt war / "im Stande, vor 1700 Jahren einen / "Schlüssel zu einem astronomischen Sy= / "stem zu erfinden, zu dichten oder zu phan= / "tasiren, den man nur erst nach lang= / "samen und mühsamen Fortschritten in die= / "sem Jahrhundert so ziemlich ins Rei= / "ne gebracht hat, und daß so gar durch / "diesen Schlüssel vollendet wird.
"Wen das nicht rührt, dem ist nicht zu / "helfen; ich kenne keinen stärkeren Beweis / "für die Göttlichkeit der Apokalypse als / "eben diesen. - Wehe dem, der die= [Spalte 154:] "se erhabene Weissagung verwirft, oder / "nur geringschätzt, besonders jetzt, nach= / "dem die Vorsehung auch noch diesen / "Grund des Glaubens hinzugefügt hat. / "Dieses prophetische Rechnungs=System / "ist nicht allein in den Weissagungen, / "sondern auch in der astronomischen Rech= / "nung von erstaunlicher Wirkung *).
Da wohl die wenigsten Leser der Sieg= / ges=Geschichte aus Mangel an astrono= / mischen Kenntnissen diese Stellen gehörig / verstehen und beurtheilen können, so hält / sich Unterzeichneter für verpflichtet, dem / Publico die Resultate seiner Rechnungen / und seines Nachdenkens über dieses be= / rühmte System mitzutheilen.
Das erste Resultat war: daß das Ben= / gelsche astronomische System mit la Lande, / dem größten Astronomen unserer Zeit, gar / nicht stimmen will.
Das zweite war: daß es so grund= / falsch und unrichtig ist, daß, wenn die / Astronomen das Bengelsche System nur / ein einziges Jahr gebrauchten, daß sich / dann die Astronomie in einem unüberseh= / baren Chaos befinden würde. - Es / hat daher wohl noch nicht "viel zur Be= / richtigung der Ungewißheit in gewissen astro= / nomischen Rechnungen beigetragen," wie / der Hr. Hofrath auf der 6ten Seite versichert.
Das dritte war: daß, wenn man in / diesem Jahr beim Vorübergang des Mer= / kurs am 7ten Mai das Bengelsche System / würde gebraucht haben, so hatte man sich / um mehr als 5 Minuten geirrt. - Nach / den la Landschen Merkurstafeln irrte man / sich nur um eine einzige Secunde, ob= / schon la Lande die Berechnung schon / vor meheren Jahren gemacht hatte.
----------------------------
*) S. Sieges=Geschichte. Seite 6, 21: 22, u. 403.
[Spalte 155:]
Das vierte war: daß das Bengelsche / astronomische System die Conjunction des / Jupiters, nach einem Umlaufe, um 1 Stun= / de und 49 Minuten falsch angibt; und, / daß es sich in der Conjunction des Sa= / turns, nach la Lande, um 2 Tage und 5 Stunden irrt.
Und endlich das fünfte Resultat war / dieses: daß der Herr Hofrath Jung das / Ganze wohl nicht gründlich untersucht, und / es mit den neuesten und berühmtesten astro= / nomischen Lehrbüchern verglichen habe, weil / er sonst doch wohl nicht aus einem falschen / System die Göttlichkeit der Apokalypse / würde bewiesen haben. -
Zwar sagt er Seite 16. "Die falsch= / "berühmte Aufklärung sucht dieses Licht / "mit Gewalt unter den Scheffel zu stellen, / " welches auch kein Wunder ist, man möch= / "te zuviel dabei sehen." Aber, als er / dieses schrieb, da wuste [sic] er vermuthlich / noch nicht, wie traurig es um dieses ver= / meintliche Licht aussähe, indem es unser mitt= / leres Erdenjahr nach den neuesten Berech= / nungen des Professor Schubart in Pe= / tersburg um 27 Secunden falsch ansetzte.
Schubart: Friedrich Theodor (von) Schubert, geb. Helmstedt 30. Oktober 1758, gest. St. Petersburg 21. Oktober 1825; ehel. Luise Friederike von Cronhelm (geb. Bartelshagen 1764, gest. St. Petersburg 1819 (nach: Unter dem Doppeladler, Friedrich von Schubert. Hrsg. und eingel. von Erik Amburger, 1962). – Schubert verfasste: Theoretische Astronomie, Bd. 1-3, 1798; Geschichte der Astronomie 1804; Populäre Astronomie, Bd. 1-3, 1804-1810 (Neue wohlfeile Ausg. Hamburg, Perthes & Besser 1834. – Vgl.: "B-d" in Nordisk familjebok, Bd. 24, Rüssläder/Sekretär, S. 1193, 1916 (http://www.lysator.liu.se/ runeberg/nfcd/0623.html.
Da die Sieges=Geschichte ein sehr ge= / lesenes Buch ist, so sind hiedurch sehr / viele Leute irre gemacht worden; und es / ist traurig, wenn die Sache der Religion / und der Sittlichkeit in solche Hände fällt, / welche ihr eigenes morsches System mit / noch morscheren Stützen zu unterstützen / suchen.
Stürzt endlich nun vor dem Wehen der / Wahrheit System und Stützen zusammen, / so spottet der Spötter lauter, und der / Schwache - zittert, - weil er in dem / Tumult des Zusammenstürzens nicht be= / merkt, daß es blos das System einer [Spalte 156:] kleinen Anzahl von Menschen war (deren / Sprache schon jene edle Einfalt und Ruhe / fehlte, welche allein den ruhigen Wahr= / heitsfreund bezeichnet;) und daß nichts / destoweniger das Reich der Wahrheit, der / Tugend und der Religion ewig und unverän= / derlich bleibt.
J. F. B-g."
Jungs Reaktion
Jung-Stilling war tief betroffen von dieser Rezension. Im Grauen Mann, H. 8, 1800, S. 123 läßt er den Grauen Mann sagen:
"In Mülheim am Rhein und überhaupt / im Herzogthum Berg, sind sehr viele er= / weckte und weitgeförderte Seelen; das wahre / Christenthum gilt dort viel, und viele Pred= / ger unterstützen es auch auf gleiche Weise. / Ein junger Theologe in dortiger Gegend hat / das Bengelsche Rechnungs=System in der / Siegsgeschichte angegriffen, und aus Astro= / nomischen Gründen zu widerlegen gesucht. / Die Zweiffel [sic], die er dadurch etwa bey einem / und dem andern Gemüth erregt hat, mußt du, / lieber Stilling ! in deinen Nachträgen zur / Siegsgeschichte gründlich heben, ich weis, / daß du es kannst."
Am 19. Februar 1800 erwähnt Jung-Stilling diesen Streit im Brief an Johann (Hans) Kaspar Kaufmann (1746-1823), siehe Edition Schwinge S. 241-242.
Jung-Stilling muß und wollte nun aber auch reagieren und ließ eine Entgegnung einrücken in die
"Num. 29.
Westphälischer Anzeiger.
-
Freitags, den 11ten April 1800."
Ausgabe = Sp. 449-464, enthält Sp. 456-463 den Text mit einer Anm. der Redaktion:
Teildruck: Erich Mertens: Johann Heinrich Jung, genannt Stilling. Ein Forschungsbericht zur Arbeit der Jung-Stilling-Gesellschaft e. V. in Siegen. - In: Siegerland. Blätter des Siegerländer Heimat- und Geschichtsvereins e. V. Bd. 74, 1997, H. 2, S. 61-88, S. 74.
"Vertheidigung. / Antwort auf J. F. B.......gs astro= / nomische Berichtigung, die Siegs= / geschichte und das Bengelische Apo= / calyptische Rechnungssystem betref= / fend. s. Nro. 10. des Westf. Anz.
Aus diesem Aufsatz erkenne ich nun mit / Gewißheit, daß der Verfasser desselben / eben derjenige ist, der mir im October / des verflossenen Jahrs einen anonymischen / Brief, genau des nemlichen Inhalts ge= / schriben hat, und den ich auf der Stelle / befriedigend beantwortet haben wür= / de, wenn ich seine Adresse gewußt hätte. / Ich kenne diesen würdigen und geschickten / jungen Mann, ich liebe und schätze ihn; / liebe und schätze auch seit dreißig Jahren seinen Vater,
Vater Benzenbergs: Heinrich Benzenberg, geb. Suchteln im Jülischen 17. November 1744 [MEUSEL Bd. 11, 1805, S. 62 f.; n. A. 1743], gest. Schöller 25. März 1805; imm. Duisburg, seit 1771 in Schöller, der ältesten reformierten Gemeinde im Bergischen, ref. Prediger; GV alt Bd. 12, S. 116,118 mit 3 Werken genannt.
und bin mir - Gott / der Allwissende ist mein Zeuge! - nicht / bewußt, daß ich einen von beiden auch / nur mit einer Miene beleidigt hätte; - / woher es also komme - und worinnen / der Grund liege, daß Herr B.......g
Spalte 457:
in gedachtem Aufsatz mich so bitter, so / beleidigend abfertigt, davon begreife ich / kein Wort!!! /
Wenn Wahrheitsliebe die Triebfeder die= / ses Schritts war *), so mußte Herr / B.......g unter seinem Namen an mich / schreiben, damit ich ihm antworten konn= / te, und wenn ihm dann meine Antwort / nicht genügte, wenn ich ihn nicht statt= / haft widerlegen konnte, und doch auf mei= / nen Sätzen eigensinnig beharrete, dann / stande ihm frei, öffentlich aufzutreten, / und das Publikum eines bessern zu be= / lehren; diesen schlichten und geraden Weg / geht aber der gute junge Mann nicht, / sondern er schreibt mir anonym, so / daß ich ihm nicht antworten kann / - wählt dann hinter mir her eine Zeit= / schrift, die bei uns ganz unbekannt ist, die ich nicht zu lesen bekomme, schüttet / in derselben statt reiner ruhiger Wahrheit, / Bitterkeit und blendende Schein= und Trug= / schlüsse über meine reine sanfte und war= / me Darstellung her, und macht also die / Leser, die dergleichen Sachen nicht beur= / theilen können, an mir und meinem Buch irre.
Lieber Herr B.......g, fragen Sie / jetzt einmal vor Gott dem Allgegenwär= / tigen ihr eigenes Herz - warum - / Sie so gegen mich verfahren? - und / warum - Sie den Beweiß für das / Bengelsche System, daß der neuent= / dekte [sic] Planet Uranus sich genau / ------------------------------ / *) Gewiß war sie das! Der Verf. jenes Auf= / satzes ist keiner unedlen Handlung fähig; / was er für recht, gut und Gemeinnützig hält / das thut er. Gewiß thut daher der ver= / ehrungswürdige Herr Verfasser dieser Ant= / wort jenem wehe, wenn Er hier über des= / sen Character nachtheilig schließet.
Spalte 458:
nach diesem System richte - den / Sie mir in ihrem anonymischen Brief / selbst an die Hand geben, nicht auch in / dieser astronomischen Berichtigung dem Pu= / blicum mitgetheilt haben? - !!! -- Bli= / cken Sie auf Ihr eigenes Gewissen, ich / appellire an dasselbe, und lesen Sie da die Entscheidung dieser Sache! - Doch ich eile zu meinem Zweck: - Jetzt bitte / ich mir von allen Lesern dieses Blatts, / denen die Sache wichtig ist, eine ruhi= / ge und unpartheiisch = prüfende Aufmerk= / samkeit aus.
Der seelige Bengel fand, daß die Wäh= / rung der Herrschaft der apocalyptischen / Thiers 666 unserer irrdischen [sic] Jahre, oder / 42 prophetische Monate währen sollte; / durch Vergleichung beider konnte er nun / die prophetischen Zeiten auf unserer Mona= / te, Wochen, Tage, Stunden u. s. w. re= / duziren, und nun zeigte sich, daß diese / Auflösung vortrefflich auf alle prophetische / Zeiten in der Bibel und deren Erfüllung / paßte; dies munterte ihn auf weiter zu / gehen, und so fand er dann die berühm= / te apocalyptische Zahlenprogression, nach / welcher 111 1/9 unserer Jahre eine hal= / be, und 222 2/9 eine ganze, folglich / 666 6/9 drei geheime prophetische / Zeiten seyen; auch diese Hypothese / paßte auf die Erfüllung der Weissagun= / gen in der Geschichte, und gab noch wei= / tere merkwürdige Aufschlüsse.
Indessen blieb es dem großen Manne / noch immer dunkel und sonderbar, wa= / rum der Geist der Weissagnng [sic, Weissagung], gerade / die Zahl von 222 2/9 unserer irrdischen Jah= / re zum Maaß einer prophetischen / Zeit angenommen habe? - Er unter= / suchte also die Zeiten der Umläufe aller
Spalte 459:
Planeten unseres Weltsystems, um unse= / re Sonne, und da fand sich dann, daß / 222 2/9 unserer Erdenjahre gerade das Zeit= / maaß sei, wornach [sic] sich alle Himmels= / körper oder Hauptplaneten, die zu unse= / rer Sonne gehören, aufs genaueste rich= / ten. Ob diese Entdeckung nicht / auffallend - erstaunlich - und / ein großer Beweis für die Gött= / lichkeit der apocalyptischen Weis= / sagung sey, das gebe ich einem / jeden vernünftigen Menschen zu / bedenken.
Aber eben diesen Satz greift Herr / B.......g an, indem er aus den neue= / sten Berechnungen zeigt, daß, wenn man / Bengels Zeitmaaß annähme, unser Er= / den Jahr - um 27 Secunden län= / ger angenommen würde, als es / eigentlich ist. - Man merke wohl!!! / - Das beträgt auf ein ganzes Jahr von / 365 Tagen, 5 Stunden u. s. w. noch / nicht einmal eine halbe Minute, noch nicht einmal so lang, daß man wäh= / rend der Zeit in der Stunde ein paarmal / auf= und abgehen könnte. - Ey! - / und wenn auch das Bengelsche System / bei einem Planeten ein paar Stunden / zu viel, bei andern zu wenig, und bei / den Entferntesten die viele Jahre zu ih= / rem Umlauf brauchen, um ein paar Tage / irrig angäbe. [sic] so benehme das seiner er= / habenen Glaubwürdigkeit nichts; 222 2/9 / Erdenjahre bleiben immer der ge= / naueste Maaßstab für eine Zeit / des Sonnensystems, der nur Men= / schen zu bestimmen möglich ist. / Ist das nun nicht ein erstaunlicher und / äusserst merkwürdiger Beweiß für die gött= / liche Auctorität [sic] der Offenbarung Jo=
Spalte 460:
hannis? - Im Grund bin ich dem / Herrn B.......g Dank schuldig, daß / er durch seine Widerlegung, also gegen sei= / nen Willen, dadurch, daß er beweißt, / die Bengelsche Zeitrechnung weiche nicht / einmal eine halbe Minute im ganzen Jahr / von den strengsten astronomischen Rech= / nungen ab, einen so wichtigen Beitrag / zum Beweiß der Wahrheit dieses Systems / offenherzig darlegt, und in seinem Brief / an mich gesteht er, daß der Uranus, / ein neuer Planet, der 30 Jahre nach Ben= / gels Tod von Herschel
Friedrich Wilhelm Herschel geb. Hannover 15. November 1738, gest. Slough bei Windsor 25. August 1822. – Seit 1816 Sir William Herschel. DBE 4, 2001, S. ... f.
entdeckt wor= / den, seinen Lauf ganz genau nach Ben= / gels Cyclus einrichte; und wundert sich / dabei, daß ich diesen stringenten Beweiß nicht / auch in der Siegsgeschichte angeführt habe.
Allein dies Alles ist die Hauptsache / noch nicht, sondern der eigentliche Brenn= / punkt, auf welchem sich Herrn B.......gs / Einwürfe concentriren ist der, daß ich / behauptet habe, Bengels Rech= / nungssystem sey so genau; daß man / alle andere fehler= und zweifel= / hafte darnach berichtigen könne. / Dagegen schließt er nun, mit ziemlich / lieblosen und heftigen Ausfällen, folgender gestalt [sic]:
Weil Bengels System das Jahr / um 27 Secunden zu lang angiebt, so / stimmt es gar nicht mit den Resulta= / ten der größten Astronomen überein: / wenn man es nur ein Jahr brauch= / te; so würde sich die Astronomie in ei= / nem unübersehbaren Chaos be= / finden; hätte mans im verwichnen Jahr / bei dem Vorübergang des Mercurs ge= / braucht, so hätte man um mehr / als 5 Minuten (NB. Das wären / 300 Secunde gewesen) und nach de
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la Lande's Berechnung irrte man nur / um eine Secunde bei dem Jupiter, / dessen Umlauf ungefähr 12 Jahre be= / trägt, irre Bengel um 1 Stunde 49 / Minuten im ganzen Umlauf; und bei / dem Saturn, der beinahe 30 Jahr be= / darf, bis er herum kommt, fehlt Ben= / gel um 2 Tage und 5 Stunden, des= / wegen sey es traurig, wenn die / Religion in solche (nemlich mei= / ne) Hände falle, die ihr mor= / sches System mit noch morsche= / ren Stützen zu unterstützen su= / chen. Diesem allem setze ich nur noch / folgende Sätze entgegen, und dann bedarfs keines Worts mehr.
Hätte Herr B.......g auch nur / die geringste Kenntniß von praktischen / Beobachtungen, so würde er wissen, daß / auch die allervollkommensten Instrumente / viel zu unvollkommen sind, um ganz / richtige, mathematisch=gewisse / Data, anzugeben, worauf dann die / astronomische [sic] Rechnungen gegründet wer= / den können. Diese Ungewisheit wird da= / durch noch größer, weil die Strahlen= / brechung im Dunstkreis sich immer verändert, / so wie seine Dichtigkeit ab= und / zunimmt, und man dadurch nie den / Himmelskörper genau auf dem Platz sieht, / worauf er sich wirklich befindet; und / endlich ziehen sich auch die Himmelskör= / per unter einander an, so wie sie sich / näher kommen, wodurch dann natürlicher= / weise ihr Lauf um einige Secunden be= / schleuniget oder verzögert werden muß.
Aus allen diesen praktischen und ganz / sichern Thatsachen ist nun einmal ge= / wiß, daß wenn auch de la Lande / und Schubart aufs schärfste beobach=
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ten, und durch Differential= und In= / tegral=Rechnung aufs genaueste alles / bis auf Secunden und Tertien bestim= / men, so werden doch alle künftige Er= / fahrungen zeigen, daß ihre Berechnun= / gen selten genau, und eben so wenig auf / ein paar Minuten, geschweige eine Se= / cunde, den wahren Zeitpunkt der künf= / tigen Himmelbegebenheiten treffen wer= / den: denn das ist platterdings unmög= / lich, und wenns einmal sogar auf eine / Secunde zutrift [sic], so ist das blos Zu= / fall.
Eben daher kommts auch, daß unter / der Menge der größten Astronomen, die / je gelebt haben, keine zween in ihren / Rechnungen völlig übereinstimmen; alle / differiren um etliche Minuten oder Se= / cunden mehr oder weniger, und unter / allen diesen hält das Bengelsche / System ungefähr das Mittel, so das / es also unstreitig das Richtige ist, und / daher zur Berichtigung aller andern die= / nen kann.
Da man sich nun seit Jahrhunderten / solcher Rechnungs=Systeme zur Vorher= / bestimmung der Sonnen= und Mondsfin= / sternisse und anderer Himmelsbegebenhei= / ten bedient hat, die bald mehr bald / weniger, als Bengels Rechnung von / de la Lande abweichen, ohne daß es / einen zu bemerkenden Fehler, oder eine / Unrichtigkeit in den Astronomischen Be= / obachtungen verursacht hätte, weil da so / unbemerkliche Kleinigkeiten als die Un= / terschiede in jenen Rechnungen sind, we= / gen der Unvollkommenheit auch der voll= / kommensten Operationen selbst nicht in / Betracht kommen können; so steht nicht / zu befürchten, daß die Astrono=
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mie durch den Gebrauch des Ben= / gelischen Systems in ein unüber= / sehbares Chaos zusammenstür= / zen würden, da es durch solche, die / von dem Orakel de la Lande / noch weiter abweichen, nicht ge= / schehen ist. Was nun von den übri= / gen Ausfällen des Herrn B.......gs / in Ansehung der 5 Minuten des Merkurs, der Stunde das Jupiters und / der 2 Tage des Saturn zu halten / sey, das gebe ich jeden Vernünftigen zu / bedenken; bei den 5 Minuten des Mer= / kurs hat Er sich augenscheinlich sehr / verrechnet, und bei den zween andern / de la Lande, wie die Zukunft zeigen / wird. Wer nun Augen zu sehen hat, / der sehe, ob mein System und seine / Stützen morsch seyen.
Lieber Herr B.......g! schreiben / Sie besser wie ich, befördern Sie die / Sache der Religion wirksamer und wei= / ser als ich, sehr gerne will ich Ihnen / aus dem Wege gehen, und die Bruder= / hand bieten; aber so lang Sie das nicht / können, so lang müssen Sie andern thä= / tigen Männern auch nicht hinter dem / Rücken entgegen arbeiten, und das Pub= / likum mißtrauisch gegen sie machen: / denn das wird Ihnen dereinst sehr übel / bekommen. Uebrigens bleibt Ihnen nach / wie vor meine herzliche Liebe und Ach= / tung gewidmet, denn Sie sind ein / edler junger Mann, aus dem die Vor= / sehung ein großes Werkzeug zum Besten / des Reichs Gottes machen kann, wenn / Sie es nur nicht selbst verhindern.
Marburg. Dr. Jung.
Hofrath und Professor.
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Benzenberg antwortet am 29. April 1800 in "Num. 34. / Westphälischer Anzeiger. / - / Dienstags, den 29ten April 1800." Ausgabe = Sp. 529-544; Sp. 529-538 auf Jung-Stilling. Er verweist auf seinen Aufsatz vom 17. Dezember 1799 (hier) und geht von einem Zitat Johann Konrad Pfenningers (1747-1792) aus und stellt dann seine Abfassungsumstände dar, nachdem er deutlich macht, warum er anonym schrieb: Er hatte erlebt, dass Briefe Jung-Stillings von den Empfängern im Kreise vorgelesen wurden. Ebenso fügt er eine Entschuldigung für seinen Brief an. – Wahrscheinlich hat er den am 14. April 1800 von Jung-Stilling geschriebenen Brief damit auch beantwortet.
Im achten Stücks des Grauen Mannes berichtet Jung-Stilling davon, wie er Benzenberg überzeugt hatte. – Dieser sah das jedoch ganz anders.