Johann Ludwig Ewald (1748-1822), Max von Schenkendorf und Johann Henrich Jung-Stilling
Heinrich Funck druckt diese Heiratsurkunde ab und leitet ein: „In Karlsruhe hatte Frau Barcklay dem erwarteten Verlobten zwei Gottesmänner zu Freunden ausersehen, Geheimen Hofrat Jung Stilling und Kirchenrat Ewald.“
Hermann Ludwig Samuel Friedländer, Max von Schenkendorfs ältester Freund, drückte dies 1837, sich erinnernd, poetischer aus: „Im reinsten Genusse des ehelichen Glückes und im Umgange mit Jung-Stilling, Ewald und andern ausgezeichneten Männern wurden ihm hier halcyonische Tage zu Theil“.
Über Johann Ludwig Ewald (1748-1822) berichtet umfassend Johann Anselm Steiger. Er bezweifelt zwar S. 139 die enge Freundschaft zwischen Ewald und Jung-Stilling, aber beide sind Zeugen der Trauung und Ewald examinierte Jung-Stillings Tochter aus dritter Ehe Elisabeth Amalie („Malchen“, Sophie (1796-1860) zur dann am 1812-03-19-09:00 vollzogenen Konfirmation wohl durch Jakob/Ernst Christoph Kühlenthal (1779-1818), den Pfarrer der reformierten Gemeinde. - „Die Confirmation geschieht im Graimbergischen Hauße“ schreibt Jung-Stilling am 1812-03-13.
Auch für Jung-Stillings damaligem Sorgenkind Friedrich (1795-1853), dem späteren „von jung-Stilling“, setzte Ewald sich 1812 ein. Jung-Stilling schreibt:
„Sie wissen, […] warum wir unseren Friedrich auf das Rastatter Gymnasium schicken musten; nun wurde uns aber vor einigen Wochen Von einem wichtigen Mann im Vertrauen gesagt, daß kein protestantischer Jüngling auf einem katholischen Gymnasio so weit kommen könne, daß er Von demselben unmittelbar zum UniVersitätsUnterricht geschickt sey: behalten Sie aber dieses für sich : - Friedrich müsse also noch ein anderes Gymnasium, entweder in Carlsruhe oder in Mannheim besuchen. Beydes ist uns aber nicht thunlich: denn <hier> in Carlsruhe wieder anzufangen wäre auffallend, zudem sind da die Sitten nicht die Besten, und ihn nach Mannheim zu schicken, das ist für meine Lage beschwerlich; wir haben uns also entschlossen ihn nächsten Herbst nach Heidelberg zu bringen, wo er dann freylich noch nicht immatriculirt werden kann, es sey denn daß er im Examenbesteht, welches Ewald in Geheim unternehmen will, besteht er, so läst er sich examiniren, und bezieht dann die UniVersität, besteht er aber nicht, so muß er in Heidelberg Privatstunden nehmen, so lang bis er immatrikulirt werden kann.“
Im Jahr 1813 treffen sich beide Männer – oft gemeinsam mit der Familie – nahezu täglich, oft auch zu Mahlzeiten. Manchmal vermerkt Jung-Stilling nach einem solchen Treffen: „wir waren recht vergnügt zusammen“, aber es findet sich auch zuweilen der Hinweis „ich / brachte ihn vergnügt zu redete / aber zu viel“ oder gar der Seufzer „, herr jesus erbarme dich“! Aber noch 1814 stellt Jung-Stilling fest: „Er [Ewald] hat mich ausserordentlich lieb, und ich bin auch wohl sein einziger zuverläsiger Freund, den er hier hat.“
Gerade von Königsberg in Karlsruhe angekommen, vergleicht der Gottesdienstbesucher Max von Schenkendorf die Predigten des späteren Erzbischofs Ludwig Ernst von Borowski (1740-1831) mit denen von Ewald.
„Hier habe ich noch nicht gefunden, an was ich dort gewöhnt war, und werde es wohl so bald nicht finden. So kahl und formlos hier der Kultus in den Kirchen ohne Altäre ist, solche Maschienen sind hier die Geistlichen. Davon muß ich nun freilich den alten gutmüthigen Ewald ausnehmen; aber auch die eine Predigt die ich von diesem gehört habe, war ein monologischer Herzenserguß über eine Psalmstelle von der Väterlichkeit Gottes. So freie Ausflüsse Ihres Gemüthes nun auch Ihre Predigten mein mein ehrwürdiger Vater und Freund! seyn mögen, so hat mich doch, neben der apostolischen Simplizität und Gediegenheit, die herrliche, ich möchte sagen dramatische Form derselben, aus Sätzen, Gegensätzen, und Auflösungen bestehend, die mir als das Resultat einer grossen tiefen Reflexion, von der alles diese lebendige Gestalt angenommen, erschien, ergötzt. Unumgänglich wird auch jede anders gestaltete Rede von DreiviertelStunde langweilig werden. Entschuldigen Sie mich, daß ich mich erdreiste vor Ihnen Ihre Predigten zu zergliedern; ich habe damit zugleich gesagt, warum mir die wenigsten andern gefallen können. Ewald ist übrigens ein braver, lieber, gemüthlicher und frommer Mann. Diese Frömmigkeit ist dann aber doch noch zu unterscheiden von jener himmlischen Flamme, die nach Thomas von Kempen Modum saepe nescit sed super omnem modum fervescit. Dazu kommt noch eine gewisse breite und spielende Sentimentalität, die Sie aus seinen Schriften kennen werden, sonderbar genug gepaart mit einer weltlichen Heftigkeit, einer Folge aller seiner Verhältnisse als Prinzenhofmeister, HofPrediger in Detmold, Prediger in Bremen (!) Professor, KirchenRath im Badenschen Ministerio (reiner Offiziant ohne PastoralGeschäfte) welche ihn bis jezt wohl verhindert haben zu der Klarheit und Ruhe zu kommen, die einen Geistlichen und einen Greis so sehr zieren. - Ich junger Mensch sollte mich eigentlich scheuen einen Mann der noch einmal so alt ist, und der uns so gastfreundlich aufgenommen hat, zu konstruiren - - ich will aber auch zugleich > <zu>gleich hinzufügen, daß Ewalds Wirksamkeit im Kirchen und Schulen Wesen des Grosherzogthums, wie ich von allen Seiten höre und sehe, höchst gesegnet ist. Durch Wilhelm Dorow, der hier durchkam, habe ich Ihnen ein Paar seiner Broschüren gesendet - er bedauerte daß er die eigentlich Ihnen zugedachten, welche hier, wo man auch noch immer an den Schulen wie am gesamten Staat bastelt, viel gewirkt haben sollen, nicht mehr vorräthig hatte. Ich habe zugleich noch einen diesjährigen Kalender, des lieben Hausfreundes und allemannischen Sängers Hebel beigefügt, […]. […] Noch habe ich Ihrer Aufforderung und der Natur der Sache nach von einem Manne zu sprechen, gegen den ich mit manchem Vorurtheil ankam, und der mir nun gar sehr am Herzen liegt - ich meine den schönen und ehrwürdigen Greis Jung, in dem ich ganz den frommen, weichen und kindlichen Stilling wieder= gefunden habe. Er ist ein Dutzbruder von Ewald, und obgleich ihre Theologie wohl etwas verschieden seyn mag, lieben und achten die beiden sich gegenseitig, und sehen sich, so wie wir, mehreremale in der Woche.“
Auch Jung-Stilling meinte noch zu Ostern 1813: „ewald predigte vortreflich“, und im September des Jahres „machte ich ein gedicht auf ewalds geburtstag“.
Am 1813-10-21 erhält Jung-Stilling eine „traurige nachrichten von ewald, kummer darüber“. Hier sind die von Steiger S. 134-138 abgedruckten Pamphlete gegen Ewald und dessen (angeblichen) Beziehungen zu der Karlsruher Hure Mäurer gemeint. Bereits am nächsten Tag „kam brauer, wir sprachen wegen ewald“. Johann Nikolaus Friedrich Brauer (1754-1813) war Vortragender Geheimer Kabinettsrat des Ministeriums des Innern und hatte sich mit dieser Kausa zu beschäftigen. Anfang November speiste Jung-Stilling bei Ewald und sorgt sich: „ich bin durch ewalds aufführung gedrängt, herr mache dieser sache doch ein ende, leite alles zu deiner verherrlichung rette das institut“, das Institut dürfte das Graimbergische sein.
Ein Jahr später greift Jung-Stilling diese Affäre in einem Schreiben an die Christentumsgesellschaft in Basel wieder auf; dazu Briefedition Jung-Stillings, S. 555 f., 559-561:
„Was Ewald betrift, so kann ich weiter nichts sagen,als daß er [Bl. 2:] mir noch ehegestern in der Gegenwart Gottes heilig und theuer versicherte er sey ganz unschuldig. Da wir seit langer Zeit vertraute Freunde sind und er mir jeher allenthalben wo er war, in diesem Punct in Verdacht war, so bin ich ihm oft hart zu Leibe gegangen, aber ohne Erfolg, er behauptet immer feyerlich seine Unschuld. Ist er unschuldig, so rette doch der Herr Seinen eigene und auch dieses Mannes Ehre, denn die Religion leidet darunter, ist er aber schuldig, so lege ich die Hand auf den Mund, denn alsdann - doch kein Wort mehr.“ – Jedoch äußert er sich dennoch am 1814-12-29 in einem Brief an Johann Friedrich von Meyer noch einmal ausführlich zu dieser Angelegenheit. Jedoch: „wir müßen doch den Mann schonen, theils um seiner Frauen und Kinder willen, die von der Sache noch kein Wort wissen, theils auch um seiner Gesundheit willen, denn dies Gerüchte hat ihm schon einige Anfalle von apoplektischen Zufällen verursacht; und endlich ist es doch auch möglich, daß er unschuldig ist.“
Im Jahr 1815 sind die Familien Jung-Stilling, Schenkendorf, Ewald, Krüdener, Graimberg, Hebel … gleichzeitige Badegäste in Baden-Baden. Hier trägt sich Ewald neben den Eheleuten Jung, Friedrich Heinrich Christian Schwarz in das Stammbuch Max von Schenkendorfs ein.
Anscheinend hat sich durch diese engere Bekanntschaft das Verhältnis Max von Schenkendorfs zu Ewald geändert. In der Mitte des Jahres 1816 schreibt er nämlich:
„Ewald schreibt nach dem Beispiel seines Freundes Dohm [Christian Konrad Wilhelm Dohm (1751-1820)] eine Salbe von Toleranz, Humanität u. Indifferentismus für die Juden. Preussen muss als Beispiel dienen.“
Und an anderer Stelle heißt es:
„Ewalds, seit die Frau vorm Jahr einen Fall gethan, ganz und gar absterbend, und uns eigentlich doch nie die nächsten. Seine Schriftstellerei ist mir zuwieder, wenn ich dann aber recht ärgerlich bin rührt mich immer wieder die grosse Freundlichkeit und Liebe in dem alten Mann.“
Nicht vergessen sein soll, dass Max von Schenkendorf in Ewald einen Herausgeber von vier seiner Gedichte fand:
- 42-43: „8. / Kriegslied für die Oesterreichische Armee.“
- 44: „9. / Soldaten=Morgenlied.“
- 45-46: „10. Soldaten=Abendlied. / Für ein Königlich Preußisches Corps / den 23. October 1813.“
- 47-48: „11. Te Deum laudamus. / Nach der Schlacht bei Leipzig 1813.“ Nach der Schlacht bei Leipzig
- 55-57 als Nr. VIII: Krijslied voor de Oostenrijksche Armée
- 58-59 als Nr. IX: Soldatenmorgenlied
- 60-62 als Nr. X: Soldatenavondlied
- 64-66 als Nr. XI: Te deum laudamus
Sie erschienen in:
Krieg und Friede, / aus dem / Standpunkt des Christen betrachtet, / mit / Hinsicht auf die jetzige Zeit. / Von / Johann Ludwig Ewald. / [Motto:] Nicht die Freiheit, sondern der empfundene Werth der Freiheit, / macht der Freiheit würdig. / Stolberg. / 1814
Oorlog en vrede uit het standpunt van den christen beschouwd.Door Joan Lodewijk Ewald. Uit het Hoogduitsch vertaald. [Vignette; von Smies und v. d. Meulen] Amsterdam: Johannes van der Hey MDCCCXIV. [1814; 1815].