Gründe
für eine Beschäftigung mit
Johann Heinrich Jung-Stilling
Man sehe auch die gegründete Anschauung von Norbert Tholen unter dem URL
https://norberto42.wordpress.com/2019/03/05/johann-heinrich-jung-stilling-lebensgeschichte-1777-ff/
1807 meint ein ehemaliger Marburger Hörer Jung-Stillings, mittlerweile Jurist: „Als Augenoperateur mag er allerdings Verdienste haben; aber als Pfuscher in dem Fache der Theologie sollte man ihm billig das Handwerk legen, damit sein Nonsens wenigstens ungedruckt und gesunde Köpfe unverwirrt blieben.“
1852 prüfte ein Anonymus „Die deutschen Klassiker.“ Er stellte zu Jung-Stilling fest. „Also auch dieser ‚Klassiker‘ ist kaum geeignet, in unsern Schulen einigen Nutzen zu stiften.“ und urteilte: „Was soll demnach Jung Stilling als ‚Klassiker‘ in unsern Schulen!“
Der Musikwissenschaftler, Komponist und Philologe Eduard Krüger (geb. Lüneburg 9.12.1807, gest. Göttingen 8.11.1885) rezensierte 1844 lesenswert, gründlich und umfangreich Jung-Stillings Lebensgeschichte. Er kam zu ähnlichen Ansichten wie Norbert Tholen.
Dietlinde Goltz [geb. Berlin 13.07.1937] hält 1974 in ihrer Rezension von „Medizingeschichte in unserer Zeit. Festgabe für Edith Heischkel-Artelt und Walter Artelt zum 65. Geburtstag“ Jung-Stilling „für eigentlich entbehrlich“ in einer Medizingeschichte unserer Zeit.
► "Jeder Siegerländer muß den ersten Teil der von ihm selbst geschriebenen Lebensgeschichte gelesen haben, die Kapitel Jugend, Jünglingsjahre und Wanderschaft."
Lothar Irle: Unser Siegerland. Eine Heimatkunde. Siegen: Schneider (1952) S. 73.
► Jung-Stilling ist der "Siegerländer 'National-Dichter'" [1]
Alfred Lück: Siegerland und Nederland. Siegen: Siegerländer Heimatverein e. V. 1967 S. 158
Allerdings: "Dr. Hans Kruse wollte im Jahr 1916 mit den Schülerinnen der 1. Klasse des Siegener Lyceums die „Lebensgeschichte“ lesen und mußte „feststellen, daß von 25 Schülerinnen, die größtenteils aus alten, gebildeten Siegerländer Familien stammten, keine einzige in ihrem häuslichen Bücherschrank Stillings köstliches Buch fand. Diese Tatsache berichtete Dr. Schulte=Ahlen als Hauptfachstellenleiter des Westfälischen Heimatbundes in seiner Ansprache bei der Gedächtnisfeier für Dr. Hans Kruse im Oktober vorigen Jahres. Eine derartige Feststellung ist allerdings für unsere heimatliebende und bodenverwurzelte Siegerländer Bevölkerung, die in Jung=Stilling einen ihrer Besten verehrt, nicht gerade schmeichelhaft.“
► Erster Siegerländer aus bürgerlichem Stand, dem ein Denkmal gesetzt wurde
► Erster Schriftsteller seines Vaterlandes (sowohl zeitlich als auch der Auflagenhöhe nach) – 1777 nennt sich Jung(-Stilling) selbst "da ich der erste Schriftsteller meines Vatterlandes bin".
► Verfasser von 140 Schriften, davon etwa 80 Bücher (vgl. hier).
► indirekter Einfluss auf den Zaren Alexander I. Pawlowitsch im Sinne der "Heiligen Allianz" (Vorläufer des Völkerbundes und der UN [Neuordnung Europas nach Napoleon auf christlicher Basis])
► Einfluß auf den industriellen Werdegang Westfalens über seinen Marburger Schüler Friedrich Wilhelm Ludwig Philipp Freiherrn von Vincke (1774-1844), der von 1815-1844 Oberpräsidenten der neuen preußischen Provinz Westfalen war. - Siehe dazu hier unter 1792 und 1817 und auch hier den Text um Anm. 1.
► Erste Beschreibung des Siegerländer Berg- und Hüttenwesens (1772, 1777 [vor der von Johann Philipp Becher (1752-1831) im Jahr 1789]; zum Streit mit Becher siehe man unter den Texten!)
► Erste Beschreibung des Siegerländer Haubergs (1775)
Auch wenn Johann Christian Senckenberg (1707-1772) in seinen Tagebüchern (!) die Siegerländer Haubergswirtschaft ausführlich und zeitlich vor Johann Heinrich Jung beschreibt, so ändert dies sicherlich nichts daran, dass es Jung-Stilling war, der zuerst darüber publizierte! Blieb das erste doch privates Wissen, während das zweite die Öffentlichkeit erreichte. (Vgl. http://www.hauberg.onlinehome.de/uebersicht.html = aus Alfred Becker: Der Siegerländer Hauberg, Kreuztal: verlag die wielandschmiede1991.)
► Erste Beschreibung der Siegerländer Köhlerei (1775)
► Erste gedruckte Beschreibung des Siegerländer Hochofens (1772, 1777)
► 2–3000 durchgeführte Staroperationen; rund 10.000 Behandlungen bzw. Beratungen Augenkranker
► Er machte den "Siegerländer Pietismus weit über die Grenzen des Raumes hinaus bekannt".
► Er gilt als "Patriarch der Erweckung". (Siehe zu dieser Bezeichnung hier.)
► "Die Siegerländer 'jenseits der Kalteiche' haben ihn mit gutem Grund [...] fast zu einem ‚Landesheiligen' erhoben." (Karl Löber S. 20)
► Aufnahme seiner Märchen in die "Hausmärchen" der Brüder Grimm.
► Die "Jugend"-Geschichte gehört zur Weltliteratur.
1885 trug Friedrich Trechsel (1805–1885) in seinem Aufsatz über Jung-Stillings methodistisch-pietistische Kindererziehung dies zusammen:
- Freilich, ein Theologe war er nicht und wollte er nicht sein, und wer bei ihm, dem alle tiefere systematische Bildung, aller Scharfsinn und alle Fähigkeit konsequenten Denkens abging, die Lösung wissenschaftlicher Probleme suchte, der würde sich arg getäuscht finden.
- von Tausenden wie ein Priester und Prophet Gottes verehrt - [Me Hinweis: Im „October 1823.“ wird berichtet: „daß der gottselige Jung=Stilling zum Bischof ist erwählt worden“; der Nachfolger von diesem „Knecht Gottes J. St. auf diesem Stuhl“ ist unbekannt.]
- seine innigen und sinnigen Erzählungen (Romane sagen wir nicht gern, wie sie auch aller Kunst der Anlage entbehren), „Das Heimweh", „Der graue Mann" u. s. w., werden auch bei uns in manchem Hause als ein theurer Schatz in Ehren gehalten.
- Man fühlte es seiner Persönlichkeit und man fühlt es auch seinen Schriften an: so unsystematisch, ja so unordentlich, wie er in seinem äußern Wesen war (darin vergleichbar mit einem Pestalozzi).
- sein (freilich mitunter in ein phantastisches und beinahe lebender Menschen mit der Geisterwelt
- nicht blind für die Schäden und Mängel, die den pietistischen und erweckten Kreisen und ihrer Frömmigkeit anhafteten, sondern wußte sie scharf und schonungslos zu geißeln und ihre traurigen Folgen nachzuweisen, wobei es ihm zuweilen auch begegnen kann, daß er im Eifer über das Ziel hinausschießt.
Zusammen- und vorgetragen von Ortwin Brückel bei seinem Vortrag am 5. November 1999 nach einer Vorarbeit von Wilhelm Güthling (1906-1971) und hier ergänzt.