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Lavaters Verklärung
 
 
 
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Die Beziehungen zwischen Jung-Stilling und Lavater waren umfangreich, wie die gleich angeführte Literatur deutlich macht. Bemerkenswert ist, dass Jung-Stilling den Tod Lavaters vorausahnte (vgl. Edition Schwinge S. 236-237; Lebensgeschichte S. 530 f.; 554 f.). Lavater wurde am 26. September 1799 von einem Soldaten der französischen Truppen angeschossen. An den Folgen dieser Schußverletzung starb Lavater am 2. Januar 1801.
 
In seinem Grauen Mann Heft 8, 1800, S. 122 schreibt Jung-Stilling:
 
„Der theure Christus=Verehrer Lavater liegt noch auf seinem Treibheerd, und leidet schrecklich an seiner Wunde; er erträgt alles mit großer Gedult, und tröstet sich mit der Betrachtung der körperlichen Schmerzen des Erlösers.“
 
Nach dem Ableben Lavaters stellte man („den 21sten Februar 1801.“) bei der Obduktion fest:
 
„Keine tödliche Verletzung von dem Schusse war zu bemerken, auch den Magen fand man ganz in Ordnung, hingegen die Lunge voller Drüsen, so daß die fünf Aerzte, die bey der Section gegenwärtig waren, behaupten, er sey nicht an den Wunden, sondern an Engbrüstigkeit gestorben.“
 
Bereits die Erzählungen für das Volk fand Lavater nicht angemessen. Über die „Siegsgeschichte der christlichen Religion“ von 1799 war man dann erneut uneins (siehe auch hier). Dennoch war man einander eng verbunden.
 
Nach dem Tode Lavaters schrieb Jung-Stilling dann sein Gedicht „Lavaters Verklärung“ (vgl. Edition Schwinge S. 284-287 und S. 287-290). Wielands Teutscher Merkur vermerkt dies im Mai 1801 so:
Eine reichhaltige Biografie bearbeitet Lavaters Schwiegersohn. Prof. Jung ist hier [in Zürich], der unter seiner alten Firma, Heinrich Stilling, die Verklärung Lavaters besungen hat. Er macht treffliche Augen=Kuren.
 
Der Text dieses Gedichtes wird hier mit einigen Rezensionen wiedergegeben.
 
Drucke dieses Karmens lassen sich auf unterschiedlichem Papier nachweisen. – Ebenso eine Übersetzung:
 
Lavaters Verklärung übersetzt von D. van Staveren. Delft: J. Regeer 1802.
 
 
 
Der Text:
 
 
Lavaters Verklärung
- [eL 18 mm]
besungen
von
Heinrich Stilling
- [eL 32 mm]
- [eL 79 mm]
Frankfurt am Main
in der Hermannischen Buchhandlung
1801
 
S. 2 und S. 3:
 
Den schönen Kampf hab ich gekämpft: die
Laufbahn durchgelaufen, und den Glauben bewahrt.
Uebrigens ist mir der Siegerkranz der Gerechtigkeit
aufgehoben: diesen wird mir der Herr, der gerechte
Richter, an jenem Tag geben.
     II. Thim. 4.
 
S. (3):
 
-- ( --
Erste Scene.
Elnathan und Schirijah.
-
Elnathan.
Schirijah, Engel des Lichts! Du fährst auf
     Flügeln des Blitzes
Feyernd den Aether hinab, die Harfe donnert
     im Fluge;
Bringst du der sündigen Erde den Frieden?
     dem kommenden Zeitlauf
Bottschaft der Zukunft des Herrn? – Ach, weile     
     dem himmlischen Bruder!
Darfst du der Sendung Geheimniß mir sagen?
     ich horche mit Sehnsucht.
Schirijah.
Frieden lügen die Menschen, Elnathan! Den
     ewigen Frieden
Bringt Er selbst im kommenden Zeitlauf dere
     traurenden Erde.
 
4
Komm, begleite mich Bruder! Jehovah
     befiehlt es, wir eilen
Schnell auf den Schwingen des Lichtstrahls hin
     zu Helvetiens Kämpfer,
Aller Kämpfenden Kämpfer, und aller Duldenden
     Dulder.
Stärker im Glauben ist keiner von allen Zeugen
     der Wahrheit;
Ohne zu sehen strebt er im Dunkeln am Faden
     der Vorsicht
Vorwärts im Irrsal des Lebens, auf düsterem
     Steige am Abgrund,
Immer vorwärts – und niemals allein Nein!
     Tausenden winkt er,
Tausende folgen zur Fahne des Königs dem
     Christus Verehrer –
Christus Verehrer ist er – so liebend
     wie Simon Johanna.
Tod für Jesus Christus – und Tod fürs
     Vaterland ist ihm,
Immer der größte Gedank’ – und Bruder!
     jetzt stirbt er für beyde –
Lavater stirbt – den erhabensten Tod, an
     der Vaterlands Wunde. –
5
Kämpft ohne Aussicht den Kampf des Glau-
     bens, die Fülle der Schmerzen
Wüthet in sechsfacher Qual im schwächlichen
     Körper des Dulders.
Fünfzehnmale schon blickte der Vollmond mit
     röthlichem Schimmer
Lavaters Kampfplatz an – und schwieg –
     in Wolken verschleyert
Eilt er über den Jura, er konnte das Elend
     nicht ansehen.
Aber der Held steht da – wie ein Fels im
     Wogengetümmel,
Horcht mit Sehnsucht, und forscht unaufhörlich
     mit gierigen Blicken,
Ob im Osten ein Schimmer des Aufgangs der
     Höhe sich zeige? –
Horcht mit spührendem Ohr auf den Laut der
     Ankunfts Posaune;
Will eine sinnliche Spur von Jesus Christus
     erlechzen;
Nur einen einzigen Blick in Sein holdes
     Antlitz erglauben,
Nur ein Lispel von Ihm, nur ein – Friede
     mit dir! sich erbitten. –
 
6
Wo ist ein Wesen das Christum liebt, wie
     Lavater liebet? –
Aber von allem kein Laut, kein Blick, kein
     Schimmer von Osten.
Alles gewöhnlich – und Nacht – und fernes
     Drohen des Spötters.
Fürchterlich drohende Klippen, und Strandung
     dem Schifflein des Glaubens.
Aber er steht wie ein Fels, und bebt nicht
     im Wellengetümmel.
Glaubt und hoft [sic; hofft], glaubt immer und hoft, und
     liebt wie sein Heiland.
Will seinen Mörder in allen Welten
     erforschen, ihm sagen: -
„Dank für die Wunde, die Glauben,
     Vertrauen und Dulden mich lehrte.“
Ist in der Demuth und Sanftmuth der Erste,
     im Unmuth der Letzte.
Gleich einem Lamme zur Schlachtbank geführt
     im Schweigen und Leiden,
Möchte zu jedes Füße sich schmiegen, die
     Hände ihm küssen.
Immer vorwärts ringt sein Geist, und immer
     geschäftig
7
Streut er köstlichen Samen für künftige
     Christus Verehrer;
Keine Minute ist leer, er würkt unaufhörlich
     für Christus;
Schaut und horcht ins ewige Dunkel, kein
     Schimmer von Christus
Kommt in sein Aug, kein Laut in sein Ohr,
     und dennoch vertraut er.
Glaubt seinen Gott, bleibt treu bis ans Ende. –
     Elnathan! wir eilen
Ihn zu erlösen; der Kampf ist erkämpft, die
     Krone errungen.
Elnathan.
Schirijah! Bruder! wer jauchzt nicht für
     Wonne bey deiner Erzählung?
Danket dem Herrn, für den muthigen Kämpfer
     ihr himmlischen Heere!
Lobt den Jehovah! sein Knecht hat voll-
     kommen die Probe bestanden!
Aber ich schaue von fern in des innern Heilig-
     thums Dunkel,
Seh’ den erhabenen Plan auf der goldnen Tafel
     der Vorsicht:
 
8
„Siehe, mein Bruder! Du weißt mit welcher
     unendlichen Langmuth
„Gott die Christen ertrug – wie viele Jahr-
     hunderte hat Er
„Liebe, Schonung und Zucht gebraucht, um
     die Menschheit zu bessern.
„Alles vergebens! – Ach überall nur empöret
     der Abfall
„Gegen Christus die Christen, man haßt
     Ihn die ewige Liebe!
„Schrecklicher ward kein Verbrechen, so alt
     die Welt ist, begangen.
„Schrecklicher war kein Gericht, als jenes der
     Chrsitenheit seyn wird.
„Er ist verhüllt in sein Dunkel, und giebt
     dem verruchten Geschlechte
„Keinen Schimmer von sich zu erkennen,
     damit sie im Zweifel
„Vollends den Abfall erzweifeln, das Ziel ihrer
     Wünsche ertaumeln,
„Und Er dann schnell wie ein Dieb in der
     Nacht zum Abgrund sie stürze.
„Aber eben dieß Schweigen des Herrn ist
     Wohlthat dem Christen.
9
„Denn es verkürzt die Tage der Prüfung,
     beschleunigt die Ankunft
„Ihres erlösers, und fordert sie auf zum
     Wachen und Beten.
„Würd’ auch Christus durch Zeichen und
     Wunder die Seinigen stärken,
„Dennoch es würde nicht glauben der Unchrist;
     die Probe des Glaubens
„Fänden die Glaubenden nicht, die sie reif
     macht zur ersten Erstehung.
„Diesen war Lavater Muster, und darum
     sollt er den Gipfel
„Aller Gipfel der Leiden, und Proben des
     Glaubens erklimmen.
„Siehe, er hat ihn erklimmt – da steht er,
     ein Zeuge der Wahrheit,
„Nah’ am Ziel! Er selbst das größte der Zeichen
     und Wunder.“
Schirijah.
Himmlischer Bruder! Du steigst und sinkst
     ja, als wenn du im Jubel
Welten von Seeligkeit ahntest.
 
10
Elnathan.
     Die ahn ich auch Schirijah! Amen!
Groß ist der Plan des Erhab’nen, und seelig
     die sündige Erde,
Wenn Er sie zweymal erlöst, den Drachen auf
     ewig besiegt hat.
Siehe, wer schwebt da vom ewigen Hügel so
     eilend hernieder?
Eldad der liebende kommt, er naht sich mit
     Minen des Jubels,
Freude der Seeligkeit strahlt aus den Augen.
     Eldad, willkommen!
-
11
Zweite Scene.
Elnathan, Schirijah, Eldad und Elgamar.
-
Eldad.
Seyd mir willkommen, Jerusalems Bürger! ich
     soll Euch begleiten,
Lavatern abzuholen erhöht der Seeligkeit
     Fülle.
Ach, wie wird er strahlen vor Wonne, wenn
     ihm nun auf einmal
Schwindet die Hülle, und er den Unaus-
     sprechlichen anschaut! –
Nun zum erstenmal sieht – Den – dessen
     Bildniß er ahnte;
Alle Formen der Schönheit erforschte, und
     keine Ihm gleich fand,
Nun Ihn sieht, das Urbild der Menschen in
     Himmlischer Würde!
Dieß zu schauen ist Wonne der Engel. Ach,
     sehet Elgamar!
 
12
Seht wie er eilt, der Engel der Erndte, der
     Engel des Todes!
Wie er so ruhig da sitzt auf der Wolke die
     Sichel im Schoose!
Kommt! Ihr seht wie er eilt, um Lavaters
     Leiden zu enden.
Elgamar.
Wonne der Seeligkeit Euch! Ihr Brüder! Ihr
     sollt mich begleiten;
Das ist ein Fest wie’s wenige gab seit Christus
     erhöht ist.
Wenige hab ich vom Kampf entlastet die
     Lavater gleich sind.
Selbst der Erhabenste freut sich des Anblicks
     wenn Lavater Ihn sieht.
Lächelnd sprach Er vom Throne herab, jetzt
     eile Elgamar,
Mir dieß Kleinod meiner Erlösung
     zu holen! ich jauchzte!
Setzt Euch hieher auf die Wolk’, uns tragen
     der Morgenroths Flügel
Schnell am Sonnenweg rechts hinab zur sün-
     digen Erde.
13
Elnathan.
Wie’s dort dämmert im Land der Erlösung!
     der Hauch des Verderbens
Steigt aus dem gähnenden Abgrund empor –
     erbarm dich der Menschen,
Deiner Erlößten! – erbarm dich Jehovah!
     Du Aller Erbarmer!
-
 
14
Dritte Scene.
Elnathan, Schirijah, Eldad, Elgamar und
Lavater am Sterbebette.
-
Schirijah.
Gott! der Seeligkeit Wonne trübt sich beym
     Anblick des Jammers!
Elnathan.
Stimme die Harf’ nicht zu laut, du Lieber!
     Der Rathschluß des Höchsten
Will durchaus, daß kein Laut vor dem Schauen
     den Glauben erhöhe.
Eldad.
Eil, Elgamar! – mir schauert! –
Elgamar.
     (indem er die Sichel schwingt)
     Staub werde Lavaters Hülle!
Sieger, empor!
15
Lavater.
Ich sterbe, Vater! Herr Jesus! ich sterbe!
Elgamar.
Schirijah, donn’re die Saiten hinab, daß die
     schmachtende Seele
Schnell sich ermann, und schleunig vom
     Taumel des Todes erwache.
Schirijah.
(singt in die Harfe)
Wach auf aus deinem Schlummer
Du müde Seele, du!
Entlaste dich vom Kummer
Eil deinem Eden zu!
Dein Glaube wird gekrönet,
Erhört ist nun dein Flehn,
Den, welcher dich versöhnet
Sollst du nun endlich sehn!
Lavater.
Gott! Hallelujah! – wo bin ich? – wie ist
     mir? Herr Jesus! wer seyt Ihr?
Steigt denn dein ganzer Himmel voll Wonne
     von Sternen hernieder?
 
16
Schirijah.
Sey und willkommen, du himmlischer Bruder!
     Jerusalems Bürger
Sind wir – gekommen dich heim zu holen
     im hohen Triumphe
Lavater.
Jesus Christus! – so hast du denn end-
     lich mein Flehen erhöret!
Nun so krön’ auch das eine Vertrauen! –
     Du weißt was mich drückt!
Eldad.
Gruß an dich! vom erhabenen Throne! auch
     das ist erhöret!
Lavater.
Sonn bin ich geworden! – ich strahle! –
     Ihr himmlischen Brüder!
Was ich geworden, das ahnet kein Mensch!
     Ach! dürft ihr Lieben,
Dürft ihr nicht Ruhe hauchen zum Kreise der
     lieben Verlaßnen!
17
Elgamar.
Nur noch ein wenig geharrt, so werden die
     Tafeln der Vorsicht
Dich über alles belehren, und dann erst fühlst
     du dich seelig.
Schirijah.
Lavater! kennst du mich nicht! – Du Kenner
     der menschlichen Bildung!
Lavater.
Feli Heß! – Allmächtiger Gott; - ich
     erbebe für Wonne!
Eldad.
Lavater! – Bruder!
Lavater [.]
Pfenninger! Du! – hier vergeht
     die Sprache!
Elnathan.
Israel nennt dich die Sprache der Himmel. –
     Du strahlst ja vor Wonne,
          2
 
18
Wie noch keiner strahlte; du jauchzest vor Freude,
     und steigest
Hoch im Jubel empor, und sinkest, du steigest
     und sinkest
Gleich dem erhabensten Seraph, der schon
     Jahrtausende feyert.
Lavater Israel! sieh! Dort sinkt der Wagen
     des Siegers
Seitwärts, nah am Orion hernieder, - nun
     seegne die Erde,
Seegne Helvetien! – Seegne dein Haus! und
     die Liebenden alle!
Nicht gar lang ist hin, so kommst du im
     glänzenden Zuge
Wieder hieher, dem vielgekränten König zu
     Seiten.
Lavater.
Seegen dir, bedrängtes Helvetien! – Jammer
     und Elend
Lastet schrecklich auf dir. – Jehovah
     erbarme sich deiner!
Führ aus dem Kampfe zum Sieg die Kämpfer,
     du Sieger Jehovah!
19
Glaubendes Dulden ist Suegen; dieß Iehre [sic; lehre] sie,
     göttlicher Dulder!
Jesus Christus! – Meine Geliebten! die
     Gattin! die Kinder!
Alle die Freunde! o seegne, erquicke, beseelige
     Alle!
Ströme den Geist der Ruhe, des Trostes in
     alle Geliebten!
Alle die mich beweinen durchsäußle dein
     ewiger Friede! –
Aber dir, due Land der erlösung, des Fluchs
     und der Gnade,
Stern der göttlichen Wunder! – Planet der
     Erbarmungen Gottes!
Dämmernd rollest du jetzt dahin im Pesthauch
     des Abgrunds;
Aber nah’ ist der Tag, an welchem der strah-
     lende Morgen
Christum mit himmlischen Schaaren im
     Siegsgewande dir zuführt!
Dann entschwindet der Pesthauch, du schwimm’st
     dann im ruhigen Aether,
Gleich dem Vollmond im May, wenn ihn der
     Morgenstern grüßet.
 
20
All’ ihr Erlösten des Herrn, wo ihr im Dunkel
     zerstreut seyd,
Kämpft durch Dulden, und glaubt ohne Schauen,
     und siegt nur durch Liebe.
Seegen auf Euch vom Herrn! Lebt wohl ihr
     Erlößte Jehovahs!
-
21
Vierte Scene.
Alle die Vorigen, Chöre, Stephanus, gegen
das Ende. Der Herr.
Schirijah.
Sieh, der Triumpfwagen kreißt um dich her,
     erheb dich und steige
Hoch zu den ewigen Höhen empor, zu Jeru-
     salems Thoren.
Sieh den Seraph? – er bringt dir die Krone
     der Sieger; den Palmzweig,
Nimm in die Hand! wir Vier begleiten dich
     bis zu dem Throne.
Eldad [.]
Seht, wir fliegen empor mit Schnelle des Blitzes;
     von ferne
Strahlt schon der ewige Morgen vom heiligen
     Berge hernieder,
Siehst du! Bruder, die Perlenthore Jerusalems
     schimmern?
 
22
Lavater.
Lehret mich erst die Sprache für unaussprech-
     liche Dinge,
Dann will ich preisen den Herrn, in ewigem
     Jubel ihm danken!
Wär ich noch sterblich, mein Wesen ertrüg
     nicht der Seeligkeit Fülle.
Himmlische Brüder! o lehrt mich den neuge-
     bornen das Leben
Himmlischer Wesen erst kennen! – Mein Gott!
     ich bebe für Wonne!
Elnathan.
Schirijah sieh! die Palmenträger Jerusalems
     kommen
Uns entgegen, die Harfe zur Hand, sie töne
     im Jubel!
Seht, unabsehbare Reyhen [sic, Reihen] umkreisen den
     Wagen, sie jauchtzen.
Schirijah.
Bürger Salems! Triumph! – Jehovah singt!
     Hallelujah!
23
Chor.
Preis, Anbethung dir! Du Heiligster! Jesus
     Jehovah
Schirijah.
Bürger Salems! begrüßt den Bruder, Helve-
     tiens Kämpfer.
Chor.
Heil dir! – sey uns willkommen, Geliebter!
     wir freuen uns längst schon
Hoch des Glaubens in dir, der Geduld, und
     der Liebe zu Jesus!
Freuten uns deiner Thätigkeit hoch, du Blut-
     zeug Jehovahs!
Wir erfuhren schon längst dein Unaufhörliches
     Sehnen
Christum zu sehn, -–- und ihm dem Er-
     habnen ins Antlitz zu schauen.
Jauchze Bruder! du wirst ihn sehen, das
     Urbild der Schönheit!
Aller Wesen erhabenstes Muster – die ewige
     Liebe,
Göttlich – Menschlich gebildet! an Lieb’ und
     Huld unaussprechlich.
 
24
Lavater
Nichts bin ich! – ein Sünder! Verklärte
     Jerusalems Bürger!
Ach, nicht werth dem Geringsten von Euch
     die Füße zu küssen.
Tagelöhner nur, Jerusalems goldener Straßen
Hüter, - der Perlenthore Jerusalems Wächter
     nur sey ich,
Dann schon zerfließ ich in Wonne des Lebens!
Eldad.
     O horcht wie es tönet!
Elnathan.
Lobet den Herrn! die Triumph-Posaune don-
     nert vom hohen
Zion herab, ins Unendliche hin. Die himm-
     lischen Kreise
Sollen des Siegestag begeh’n; der Erste Blut-
     zeug
Stephanus, harrt auf der Zinne – dem spätern
     Bruder dem Herrn selbst
Vorzustellen am Thron. Die Posaune schallt
     nur de Blutzeug.
25
Lavater.
Himmlische Brüder! erflehet mir Kraft! ich
     versinke vor Ehrfurcht.
Beben und heiliger Schauer durchdringt mein
     innerstes Wesen.
Eldad.
Seht, Myriaden erfüllen die goldenen Gassen,
     sie feyern
Lavaters Sieg.
Lavater.
     Der Herr hat gesiegt! ein Nichts
          kann nicht siegen.
Chor.
J, der Herr hat gesiegt, und ihm allein
     Hallelujah!
Aber der Kämpfer im Staub siegt auch durch
     Ihn, Hallelujah!
Seelig bist du, Ueberwinder im Staub, durch
     Lieben und Dulden,
Glauben und Hoffen, und Leiden und Sterben,
     Triumph! Hallelujah!
 
26
Elnathan.
Seht, es senkt sich vom hohen Zion die
     goldene Wolke
Strahlend hernieder, und Stephanus mit
     ihr, - fasse dich Bruder!
Stärke dich! nun ist sie da die Stunde de
     seeligen Schauens!
Stephanus.
Herrlicher Sieger! o laß dich umarmen, und
     brüderlich küssen.
Sey mir willkommen, mein Bruder! am Fuße
     des heiligen Berges.
Sieh nun, wie seelig es ist, der ewigen Liebe
     zu trauen,
Wenige Jahre des Kampfes, des dunkeln Glau-
     bens, was sind sie?
Aengstliche Träume aus denen man aufwacht
     zu ewiger Wonne,
Komme zum längst ersehnten Ziele zu
     schauen den Herrn selbst.
Lavater.
Alle meim Wirken war nichts; mein Dulden
     nichts! und die Wonne –
27
Gott! ich bin ihrer nicht werth! wie faß ich
     die Meere des Lebens?
Kann ein Vögelchen denn die Fluthen des
     Oceans trinken,
Oder der Hirtenknabe, wie denkt er den Rath-
     schlag des Staatsmanns?
Aber ich spüre die Kraft, den Ausfluß der
     Nähe des Herrn schon;
Werde muthiger, stärker, der Seeligkeit Fülle
     zu tragen.
Welten fang’ ich an im Begriff zu umfassen,
     ich denke
Klar – mein Geist wird erweitert, ich fasse
     auf einmal die Höhe
Tiefe und Weite der Dinge, ich trinke Ströme
     des Lebens
Fluthenweis ein – mein Daseyn erwächst zur
     Größe des Engels.
Stephanus.
Bruder! hieher auf die Wolke! und schwingt
     Euch empor zu den Zinnen
Zions! Siehest du, Bruder, die Glorie über
     dem Thorne? –
 
28
Siehst du ihn strahlen den Urthron des Herr-
     schers der Welten? der Schöpfung
Urquell, den Sitz der göttlichen Menschheit
     des Jesus Jehovah!
Lavater.
Jesus Christus! du ewiges Leben! mein
     Herr und mein Gott. Du !
Der Herr.
Komm, mein Freund, an die Brust, in
     die Arme der ewigen Liebe.
--
Leser, und Freunde verzeiht! hier sinkt meine
     Seele in Ohnmacht.
weiter schwingt sich mein Geist nicht empor,
     die Flügel ermatten,
Noch zu sehr mit Staub belastet, es kämpfet
     die Seele
Will empor sich ringen, und kann nicht, sie
     macht nur Versuche;
Gleich dem Vög’lein im Nest wenn eben die
     Federn erreifen.
29
Geist der ewigen Liebe! befrey und von dem
     was die Seele
Noch ans Irrdische fesselt, damit wir dereinst
     im Erwachen
So wie Lavater hier, in einem Fluge bey
     Ihm sind!
Ihm, der war, und ist, und seyn wird,
     Ihm – Hallelujah!
-
 
30
--
Anmerkungen.
-
Schirijah, heißt: Gott ist mein Lied.
Elnathan, – Gott hat gegeben.
Eldad, – Gott lieb.
Elgamar, – Gott hat vollendet.
Israel, – Kämpfer Gottes.
Stephanus – Sieges Krone. Der Erste
     Blutzeuge für die Wahrheit
     Jesu.
In dem Gedicht selbst kommen einige Stellen vor,
die wenigstens für den Einen oder Andern, einiger
Erläuterung bedürfen.
Schirijah sagt in seinem ersten Gespräch mit
Elnathan: „Der Vollmond sey – über den Jura
hinweg geeilt.“ Der Jura ist ein Gebirg an der
westlichen und nordwestlichen Gränze der Schweiz,
über welches also Sonne und Mond, wenigstens dann,
wann sie diesseits dem Aequator sind, untergehen.
Dann führt er auch Lavaters denkwürdige Aeußerung
an, die dieser verklärte Jünger der Wahrheit würklich
31
gesagt hat, nämlich: Ich will meinen Mörder
in allen Himmeln und in allen Höllen auf-
suchen, und ihm danken für diese Leiden
die er mir verursacht.“ Ist dies auch etwa
Schwärmerey? – Nun so ist mir diese himmlische
Schwärmerey viel tausendmal lieber als alle Philosophie
in der Welt.
Auch die Worte, die ich hie rim Gedicht Lava-
tern in den Mund lege: „Vater, ich sterbe! –
Herr Jesus, ich sterbe!“ hat er würklich
gesagt.
Felix Heß, den Lavater im Schirijah
entdeckt, war ein junger Zürcher Theologe, mit dem
der Verklärte in frühern Zeiten in vertrauter Freund-
schaft lebte; er starb in seinen besten Jahren. Viel
schönes und erbauliches findet man von ihm in Lavaters
Tagebuch.
Pfenninger, der hier Eldad heißt, ist
bekannt durch mehrere vortreffliche Schriften; z. B.
das christliche Magazin mit seinen Sammlungen; der
Kirchenbote; die Familie von Oberau, oder Eden,
u. a. m. Er war ein vortrefflicher Mann; Lavaters
vertrauter Freund, und so wie er, Pfarrer in Zürich.
Er wurde vor mehrern Jahren zur Oberwelt abgerufen.
 
32
Wenn ich Lavatern unter die Blutzeugen zähle,
so getraue ich mir das vor dem Throne Gottes zu ver-
theidigen; denn er starb wirklich nach 15 monathlichen
unerhörten Schmerzen und Martern, die ihm seine
Schußwunden verursachten, an den Folgen dieser
Wunden; und diesen Schuß bekam er von einem Sol-
daten, nicht aus Uebereilung, nicht im Getümmel,
nicht im Zank mit diesem Soldaten – mit einem Wort,
nicht aus einer vermuthlichen Veranlassung, sondern
aus einer Ursache die der Herr weiß, und die ihm [sic]
zum Blutzeugen macht. Die ganze Geschichte erzählt
er selbst in seinen Briefen über das Deportations-
wesen. – Man lese – urtheile – lege die Hand
auf den Mund und schweige!
--
 
 
 
 
Rezensionen
 
 
[Jahrgangstitel:] „Neue / Theologische / Annalen / 1801. / - / - / Erster Band. / = / Rinteln, / in der Expedition der N. Theol. Annalen.“
Hier ist es:
 
 
„-( 305 )-
Beylage zu St. 16.
der N. Th. Annalen.
-
Lavaters Verklärung. (Verklärung ?) Besungen (also schon besungen? Ist sie wirklich vor sich gegangen ?) von Heinrich Stilling. Frankfurt am Main, bey Hermann 1801. 32 S. 8. schön gedruckt ( 4 gGr.)
Es giebt einen Heinrich Stilling, der in den Jahren 1777. 1778 seine Jugend, Jünglingsjahre und Wanderschaft beschrieb; zu Berlin und Leipzig bey Decker erschienen diese von Goethe retouchirten Schriften, und die schöne Darstellung dieser Lebensgeschichte hat allgemein gefallen. Wir sollten beynahe vermuthen, daß hier ein Pseudo=Stilling erschien, der den berühmten Namen jenes guten Heinrichs misbrauchte. Wenigstens ist an dieser Schrift, als Kunstwerk betrachtet, wie Rec. mit voller Ueberzeugung versichert, vernünftiger Weise gar nichts zu loben, verschiednes sehr zu tadeln, einiges ernstlich zu rügen. Der Leser urtheile selbst!
Lavater wird als Blutzeuge (?) vorgestellt. Und wenn ich, sagt der Verf., Lav. unter die Blutzeugen zähle, so getraue ich mir das vor dem Thron Gottes zu vertheidigen; denn er starb nach 15 monatl. unerhörten Schmerzen und Martern, die ihm seine Schußwunden verursachten, an den Folgen dieser Wunden; und diesen Schuß bekam er von einem Soldaten, nicht aus Uebereilung, nicht im Getümmel, nicht im Zank mit einem Soldaten, mit einem Wort, nicht aus einer vermuthli= / 1801. U chen [S. 306:] chen Veranlassung, sondern aus einer Ursache, die der Herr (und also Heinrich Stilling nicht), weis, und die ihn (obgleich Heinrich St. sie nicht weis) zum Blutzeugenmacht. Die ganze Geschichte erzählt er selbst in seinen Briefen über das Deportationswesen. Man lese, urtheile, lege die Hand auf den Mund und schweige.’ Sollte m an nicht blos aus dieser pathetischen Stelle, in der man sich auf eine gedruckte Schrift Lavaters selbst zu berufen die Keckheit hat, schließen, daß etwas außerordentliches besy seiner Verwundung vorgefallen sey? Und siehe, aus S. 82-86 der angeführten Schrift, mithin aus Lav. eigner authentischen Erzählung, erhellt unwiderleglich, daß L. allerdings im Wortwechsel mit einem Soldaten, allerings im Getümmel, und in einer Uebereilung verwundet worden ist. Der schlimmste Umstand für Heinr. St. ist aber der. daß durch den Sectionsbericht der Aerzte unwidersprechlich erwiesen ist, daß Lav. nicht an der, keineswegs tödtlichen Wunde, sondern an Geschwüren, die mit der Wunde nichts zu thun hatten, gestorben ist, und daß, wenn er auch nicht verwundet worden wäre, er sein Alter nicht viel höher gebracht haben würde. Wie willer denn vor dem Throne Gottes vertheidigen, was er vor keinem vernünftigen Menshen vertheidigen kann?
Das Gedicht ist dramatisch, und besteht aus vier Auftritten. In dem ersten redet der Engel Elnathan (wo? wird nicht gesagt) den Engel Schirijah (dieß ist Felix Heß; aber werden denn die Menschen nach dem Tode Engel??) der nachZürich fliegt, an, und fragt den Eilboten, wohin er gesendet sey? Schirijah erwiedert, er müsse nach Zürich, um Lavatern zu erlösen, und fordert ihn auf, sein Begleiter zu / seyn. [S. 307:] seyn. In der zweyten Scene kommen noch zwei Engel hinzu; der eine heißt Eldad, (dieß ist der delige Pfenninger) und der andere Elgamar, der Sichelschwinger, welcher Lavatern den Tod giebt. Alle sind Bürger des neuen Jerusalems (welches noch nicht existirt, sondern, nach bengelscher Auslegung der Apokalypse, erst nach der Wiederkunft Christi zu Stande kommt.) In der dritten Scene sind diese vier Engel in Lavaters Stube; Lav. ringt mit dem Tode; er stirbt; er sieht die Engel; er erkennt Heßen und Pfenningern. (Dieß hätte gut ausgeführt werden können; aber die Ausführung ist ganz gemein.) In dem vierten Auftritte endlich wird Lav. eingeladen, einen Triumphwagen zu besteigen, und durch eines der Perlenthore des neuen Jerusalems (welches noch nicht existirt!) zu Christus zu fahren; vorher wird ihm noch eine Krone und eine Palme gegeben; nun geht es wie geflogen; Lavater fühlt sich nicht werth, dem geringsten Bürger Jerusalems die Füße zu küssen, er will gern nur ein Thorwächter in dieser Stadt seyn (vix credo); in den goldnen Gassen stehen sieben Myriaden, die Lavaters Sieg feiern; Stephanus stellt ihn Christo vor; Christus umarmt ihn.
Nun wollen wir unser Urtheil mittheilen. Heinrich Stilling kann zuvörderst weder Lavater, noch viel weniger Felix Heßen und Pfenninger genau gekannt haben; denn es ist nichts Charakteristisches in den Aeusserungen dieser Personen; die eine spricht, wie die andere. Nun denke man sich ein Zusammentreffen des geistlichen Lavaters mit dem vernünftigen Heß und dem feinen Pfenninger in der andern Welt und man kann sein ganzes Vermögen gegen einen Thaler setzen, daß sie sich sämmtlich ganz anders dabey nehmen werden; von den feinern / U 2 Schat= [S. 308:] Schattirungen der Charakterzüge dieser drey Männer ist keine Spur in den ihnen geliehenen Reden wahrzunehmen. Wenn z. B. Heinr. St. die Prüfung philosophischer und moralischer Predigten von Felix Heß gelesen hätte, so hätte er Schirijah nicht von Lavatern rühmend sagen lassen können: ‘Er wollte eine sinnliche Spur von Jesus Christus erlechzen, nur einen einzigen Blick in sein holdes Antlitz erglauben[‘] und dergl. m. Ein solcher Styl war gar nicht in Heßens Charakter.
Wenn ferner Heinr. St. Lav. hätte sagen lassen: ‘Freunde, verzeiht dem, der mich verwundet; ich verzeihe ihm auch; ich bete die Schickung Gottes in diesem Vorfalle an; er hat mich mehr in mich selbst geführt’ und dergl. wer hätte dieß nicht mir Erbauung gelesen; Aber [sic] dieß alles war ihm viel zu gemein; er läßt Lavatern von diesem Soldaten so sprechen, daß, wenn dieß schön und natürlich seyn soll, nicht mehr über die Leidensgeschichte Jesu gepredigt werden darf, sondern die Leidensgeschichte Lavaters den Christen vor Augen gemahlt werden muß, und Christus selbst, der nur betet: ‘Vater, vergieb ihnen; denn sie wissen nicht, was sie thun,’ bey Lavater in die Schulegehen muß. Ihm nach, will Lav. ‘seinen Mörder inallen Himmeln und in allen Höllen aufsuchen, und sich bey ihm dafür bedanken, daß er ihn verwundete.’ Heinr. St. wird freilich sagen, Lav. habe dieß wirklich gesagt; allein diese Hyperbeln, in denen Lav. freilich oft sprach, wie er denn, auch nach einer andern Schrift gesagt haben soll: Dieser Soldat habe ein gutes Werk an ihm gethan,’ sind, wen an sie genau nimmt, immer übertriebene Redensarten, die nicht für musterhaft gelten können. / Doch [S. 309:]
Doch wir wollen über dieß alles noch wegsehen; aber was sagen die Leser zu folgender Aeusserung Elnathans: ‘Christus ist jetzt verhüllt in sein Dunkel, und giebt dem versuchenden Geschlecht keinen Schimmer von sich zu erkennen, damit (entsetzliches: damit!!!) damit sie im Zweifel vollends den Abfall erzweifeln. das Ziel ihrer Wünsche ertaumeln, und Er dann schnell, wie ein Dieb in der Nacht, in den Abgrund sie stürzt!’ So schildert ein Heinr. St. den, welchen er die ewige Liebe nennt!! So im Hinterhalte auf diejenigen, die den Herrn der Herrlichkeit, den sie nicht kennen, verwerfen, so schadenfroh sich schon zum voraus auf den Augenblick freuend, wo er sie alle zerschmettern kann, und sie absichtlich verstockend, damit er sie nur in den Abgrund stürzen könne, stellt er den Erhabendsten und Liebevollsten aller MenschenFreunde vor! Rec. will ihm dafür kein hartes Wort sagen, sondern ihm nur mit den Worten Jesu zurufen: ‘O Stilling, Stilling, du weißt nicht, was für ein Geist dich beseelt! was für ein Geist dich beseelen sollte, des Menschen Sohn ist nicht gekommen, die Seelen der Menschen zu verderben, sondern selig zu machen.’ - -
Das Gedicht ist in Hexametern, voll der schreiendsten Härten; es kommen Daktylen, wie
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will seinen, gleich einem, Pesthauch du, will
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eine, nur einen & vor. Auch gesteht Rec. nicht zu verstehen, was ein Kämpfer aller Kämpfenden und ein Dulder aller Duldenden, wie Schirijah Lavatern nennt, ist.
Wahrlich, ein Heinr. St. schadet, was dem Rec. sehr leid thut, dem verdienten Nachruhm / U 3 des [S. 310] des von so vielen Seiten interessant gewesenen Lavaters. Si defensoribus istis causa tua, origineller Lavater, indigeat, perdita, causa tua est; zum Glück ist dieß nicht der Fall. - Aber eine Bemerkung muß Rec. doch noch machen, die sich ihm beym Lesen dieses Gedichtes aufdrang: Wenn ein Lav., dessen vorzügliche Eigenschaften Rec. gewiß kennt, und vollkommen zu schätzen weis, so bald, und mit so großer Auszeichnung unter die Bürger des neuen Jerusalems aufgenommen wird, so steht zu hoffen, daß mancher Biedermann, der, ob er gleich in manchen Stücken sehr verschieden von Lavater denkt, doch sittlich betrachtet, wenigstens eben so viel Werth als Lavater hat, so Gott will, doch auch noch in das neue Jerusalem kommen werde.“
Anschließend folgt eine Rezension von: „Ein bescheidenes Blümchen auf Lavaters Grab. In den Blumenkranz seiner Freunde. Von Johann Heinrich Bürkli, (nicht mit Johannes Bürkli zu verwechseln, der eine Sammlung von Gedichten zum Besten der unglücklichen Schweizer drucken ließ.) Zürich, bey David Bürkli. 1801. 64 S. 8. (4 gGr.)“
 
 
 
40. Stück.
Jahrbuch der neuesten Literatur.
Sonnabends, den 15. August 1801.“
 
 
Bd. 1, Sp. 313 f.
„Frankfurt a. M., b. Hermann: Lavaters Verklärung. Besungen von Heinrich Stilling. 32 S. 8. 1801. (3 gr.)
Das kleine Drama wird von den Engeln Elnathan und Schirijah eröffnet, die über Lavaters Werth als Christen, über seinen festen Glauben an Christus, über seinen Märtyrertod sich unterreden. Zu ihnen gesellen sich Eldad und der Todes-Engel Elgamar, der dem Leidenden die frohe Botschaft der Erlösung bringt. Sie alle versammeln sich nun um Lavaters Sterbebette. Der Todes-Engel schwingt seine Sichel; Lavaters Körper wird Staub; sein Geist erwacht zur Seligkeit. In Schirijah und Eldad erkennt er nun seine ihm vorangegangenen Geliebten, Felix Heß und Pfenninger. Mit ihnen steigt er empor, wird des Anschauens des Herrn gewürdigt, der mit Stephanus (als Lavaters Vorbilde) herniederteigt, und dem Entzückten zuruft:
‘Komm, mein Freund, an die Brust, in die Arme der
ewigen Liebe!’ [Sp. 2:]
Herrn Jungs Hang zum Mysticismus ist bekannt, so wie seine Ueberzeugung von einer Zukunft, welche das tausendjährige Teich mit bringt, und sogar von der Nähe dieser Zukunft. Aus einem solchen Geiste konnte eine Phantasie, wie die hier dargelegte, hervorgehen. Von der ästhetischen Seite betrachtet, ist die Idee, zwey Engel zu Lavaters frühen Freunden zu machen, die glücklichste in diesem, sonst durch nichts ausgezeichneten, Plane. Der Hauptgedanke: Lavatern in dem Lichte eines Märtyrers für die Religion darzustellen; gründet sich nicht auf die wahre Geschichte. Der Soldat, der Lavatern verwundete, verwundete ihn nicht um des Christenthums willen. Herrn Jungs Hexameter beleidigen oft sehr hart die Prosodie, z. B. S. 21.:
‘Siehe’, der Triumphwagen etc.’
und der Geist,m der aus ihm spricht, ist so wenig der der ewigen Liebe selbst, daß er in Christus personificirend anbetet, daß er S. 8. die grosse Vorstellung verräth:
Er (Christus) ist verhüllt in sein Dunkel, und giebt
          dem verruchten Geschlechte
Keinen Schimmer von sich zu erkennen, damit sie im
          Zweifel
Vollends den Abfall erzweifeln, das Ziel ihrer Wün=
          sche ertaumeln,
Und Er dann schnell wie ein Dieb in der Nacht zum
          Abgrund sich stürze.
Diese Heiligen verkennen, daß der Satan selbst die allliebende Gottheit nicht fürchterlicher blasphemiren könnte als indem er ihr solche Absicht beymäße.“
 
 
 
 
Neue allgemeine / deutsche / Bibliothek
 
 
Vermischt Schriften.
1. Lavaters Verklärung. Besungen von Heinrich
Stilling. Frankfurt am Main, bey Herrmann.
1801. 2 Bogen 8. 4 H.
2. Ein bescheidenes Blümchen auf Lavaters Grab.
In den Blumenkranz seiner Freunde, von Joh.
Heinrich Bürkli. Zürich, bey Bürkli. 1801.
4 Bogen. 5 H.
3. Johann Kaspar Lavater, der Dichter. Eine Re=
de bey der musikalische Gedächtnißfeyer, am 26.
Hornung 1801 gehalten, von Johann Georg
Schultheß, Diakonus. Zürich, bey Orell, Füßli
und Comp. 1901. 46 Seiten 8. 7 H.
      4.
252   Vermischte Schriften.
4. Privatbriefe von Saulus und Paulus. Heraus=
gegeben von Nathalion a Iacta Rupe. Winter=
thur, bey Steiner. 1801. 142 Seiten 8. 10 H.
Nr. 1. ist ein Drama in Hexametern, dessen Scene bald im
Himmel, bald auf der Erde spielt. Die handelnde Perso=
nen haben zum Theil sehr bedeutungsvolle Namen, z. B.
Schirijah (Gott ist mein Lied) ist Felix Heß; Elnathan (Gott
hat gegeben) Eldad, (Gott lieb) ist Pfenninger; Elgamar,
(Gott hat vollendet) Israel, (Kämpfer Gottes); Stephanus,
(Siegeskrone). Der Gegenstand ist folgender: Lavater
soll, als er jene tödtliche Wunde bekommen hatte, nach 15mo=
natlichen Schmerzen endlich als Blutzeuge in den Wohnsitz
der Seeligen abgeholt werden. Schirijah, Elnathan, Eldad
und Elgamar werden zu seinem Sterbebette gesendet. Ein
Chor Seeliger empfängt ihn als Sieger und führt ihn dem
Herrn zu, der ihn mit den Worten anredet – Komm mein
Freund, an die Brust, in die Arme der ewigen Liebe.
Die Idee und Anlage ist gut, die Verse sind nicht übel und
Alles ganz in Lavaters Geist und Ton, wie sich auch von
Stilling erwarten ließ. Sogar Lavater der Physiognom wird
nicht vergessen. Als nämlich Schirijah zu Lavaters Sterbe=
bette tritt, sagte er: – Lavater! Kennst du mich nicht? –
Du Kenner der menschlichen Bildung! Es wäre freylich auch
vom größten Physiognom sehr verzeihlich gewesen, wenn er ei=
nen verklärten Geist nicht wieder erkannt hätte, da man ver=
muthen sollte, daß die Regeln der physiognomischen Frag=
mnente nur auf Menschen= und Thierphysiognomien anwend=
bar seyn werden. Aber Lavater verläugnet auch in diesem
delikaten Fall die Kraft seiner tiefen physiognomischen Kennt=
nisse nicht; selbst den verklärten Schirijah erkennt er, und
ruft: – Felix Heß! Allmächtiger Gott! ich erbebe für Wonne.
An einer andern Stelle sagt er freylich etwas stark und
dichterisch: Sonne bin ich geworden! – ich strahle! – Ihr
himmlischen Brüder! – Was ich geworden, das ahnet kein
Mensch! – Uebrigens ist er bey seiner Ankunft im Himmel
ganz der Demüthige, sich selbst herabsetzende Verehrer des
Herrn, der er im Leben schon zu seyn äußerte.
      Die
[... zu den folgenden Nummern. …]
 
 
 
 
Literatur (Auswahl)
 
 
 
Gustav Adolf Benrath: Die Freundschaft zwischen Jung-Stilling und Lavater. - In: Bleibendes im Wandel der Kirchengeschichte. Kirchenhistorische Studien hrsg. v. Bernd Moeller u. Gerhard Ruhbach. Tübingen: Mohr 1973, (ISBN 3-16-135332-3) S. 251-306. [S. 303 ff. Überblick über den Briefwechsel von 51 Numern.]
Ergänzend dazu:
 
Gerhard Schwinge: Jung-Stillings Verhältnis zu Lavater. Ergänzungen zu Gustav Adolf Benraths Studie von 1973. – In: Frömmigkeit unter den Bedingungen der Neuzeit. Festschrift für Gustav Adolf Benrath zum 70. Geburtstag. Herausgegeben von Reiner Braun und Wolf-Friedrich Schäufele. Darmstadt und Kassel: Verlag der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 2001 = Quellen und Studien zur hessischen Kirchengeschichte Bd. 6, hrsg. v. Udo Wennemuth, ISBN 3-931849-08-2; Karlsruhe: Evangelischer Presseverband für Baden e. V. 2001 = Sonderveröffentlichungen des Vereins für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden Bd. 2, hrsg. v. Holger Bogs und Bettina Wischhöfer, ISBN 3-87210-913-8, S. 187-195.
 
R[udolf]. Jung: Freundschaften. Goethe, Stilling und Lavater. - In: Heimatland. Beilage zur Siegener Zeitung. Jg. 10, Siegen: Vorländer 1935, Nr. 2, S. 5-9.
 
S[imon]. M[arian]. Prem: Neue Beiträge zur Charakteristik Lavaters und Jung-Stillings. - In: Euphorion. Zeitschrift für Litteraturgeschichte hrsg. v. August Sauer, 3. Ergänzungsheft, Leipzig u. Wien: Fromme 1897, S. 148-158.
 
Sukeyoshi Shimbo: Geisterkunde und Apokatastasis-Rezeptionbei Lavater und Jung-Stilling. – In: Das Antlitz Gottes im Antlitz des Menschen. Zugänge zu Johann Caspar Lavater. Hrsg. v. Karl Pestalozzi und Horst Weigelt. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (1994) S. 102-113 = Arbeiten zur Geschichte des Pietismus Bd. 31
 
L. F. Zander: Jung-Stillings Kampf gegen die Freimaurer. Lavaters Tod - Die Mysterien der Felsenmänner - Jahrelang in Todesfurcht. - In: Völkischer Beobachter Nr. 16 v. 16.01.1931 (Beiblatt) S. ... (?).
 
Leonhard [Wilson] Forster: Correspondence of Lavater and Jung-Stilling in the Toronto University Library. - In: Publications of the English Goethe Society 27, Cardiff [Leeds ?] 1958, S. 140-151.
 
Heinrich Funck: Zwei ungedruckte Briefe von Lavater an Jung=Stilling. Mitgeteilt. - In: Euphorion. Zeitschrift für Literaturgeschichte. Hrsg. v. Josef Nadler u. August Sauer. Bd. 26, Leipzig u. Wien: Fromme 1925 (ND Nendeln: Kraus Reprint 1967) S. 247-250
 
[Hermann Dechent:] Die Beziehungen von Jung-Stilling und Lavater zu Frankfurt a. M. - In: Die Gemeinde. In Verb. m. d. Pfarrern [...] hrsg. v. Verein für christliche Freiheit. 23. Jg., Frankfurt/Main 1924, Nr. 32 v. 9.08.1924, S. 241-243; Nr. 33 v. 9.1924, S. 251-252.
 
Ernst Benz: Kosmische Bruderschaft. Die Pluralität der Welten. Zur Ideengeschichte des Ufo-Glaubens. Freiburg i. Br.: Aurum (1978. - ISBN 3-591-08061-6. - Darin S. 93-100: Jung-Stilling/Lavater. Über den Aufstieg der Geister durch das Weltall.
 
 

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