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Immer wieder wird Jung-Stilling fälschlich zum „Sektenmacher“ degradiert. Seine Familie wandte sich – wie er selbst – gegen diesen Vorwurf.
In dem Aufsatz
Schwinge, Gerhard: „freundlich und ernst“ Friedrich Heinrich Christian Schwarz. Theologieprofessor und Pädagoge in Heidelberg von 1804 bis 1837 und die Heidelberger Gesellschaft seiner Zeit. (Ubstadt-Weiher, Weil am Rhein und Basel:) verlag regionalkultur (2007. ISBN 978-3-89735-504-0.) = Archiv und Museum der Universität Heidelberg. Schriften Hrsg. v. Werner Moritz [Bd.] 11.
wird zwar auf diese Aktionen hingewiesen, es fehlt aber auch dieser Text:
„Theologischen Nachrichten. / - / Juli 1824.“, S. 225 ff., darin S. 286 ff.:
Ein gerechtes Wort für Jung=Stilling.
Wenn noch lebende Männer von der Schmähsucht angegriffen werden, so mag es wohl in den meisten Fällen ihre Würde erfordern , des Pöbels Geschrei zu verachten, und zumal , wenn sie in öffentlichem Ansehn stehn, selbst auch dann, wenn die Verläumdung mit der Hypokrisse schlichter Wahrheitsliebe und frommen Eifers bald insgeheim, bald öffentlich auftritt, in ihrem frohen Selbstbewußtseyn ruhig zu bleiben, und mit einem gewissen Stolz sich weder um den, der ihren guten Namen angreift, noch um den, der das gern hört oder liest, weiter zu kümmern. So hat es Jung=Stilling in seinem musterhaften Leben bewiesen. Ein anderes aber ist es, wenn ein Ehrenmann noch im Grabe angegrif fen – 287 – fen wird. Obgleich das Schändliche, wenn man einen Tobten lügenhaft angreift, schon das natürliche Gefühl empört, und also weniger Eingang findet, so ist es doch eine flicht derer, die den Angegriffenen näher kannten, insbesondere aber seiner Hinterlaffenen, den guten Namen desselben zu vertheidigen. Jung=Stilling ist nach seinem Tode in einigen Zeitschriften nicht nur des Mysticismus, sondern auch der Sectirerei, ja des Kryptokatholicismus und geheimer Verbindung hierin beschuldigt worden , versteht sich, die Beweise bleibt der Erfinder wie der Verbreiter von Verläumdung immer schuldig , da jener diesem als Orakel gilt. Weil diese Beschuldigungen neuerdings wieder in neuer Gestalt erschienen sind, so hält sich der Unterzeichnete verpflichtet, die Erklärung zu wiederholen, welche er mit seinem Schwager , als die ältesten in der Familie JungStillings , Namens aller hinterlassenen Kinder desselben, gegeben, so wie sie sich in der Kirchenzeitung 1822 Nr. 64 findet. Was sollen wir aber über die Sitte deutscher Blätter sagen, Männer von Verdiensten zu verlästern ? Das können nur verdienstlose Menschen thun, die Thersites Stimme gern hören lassen. Und unserer guten deutschen Nation können wir es nicht zutrauen, daß sie daran Wohlgefallen habe. JungStillings große, vielfache Verdienste um die Menschheit müssen noch genugsam im Andenken Vieler seyn ; gleichwohl hat sich auch in dem vorigen Jahrgang dieser Zeitschrift (Theol. Ann. Okt. 1823 in den Nachrichten S. 345) unter dem Artikel eines Schreibens aus dem Großherz Badischen Oberland, eine Schmähung eines Ungenannten (Namenlosen) eingeschlichen, der ihn noch nach seinem Tode mit seiner elenden Spötterei gern treffen möchte , wenn nicht grade in diesem Lande er als der Menschenfreund, der nicht Sectirereien begünstigte, und dessen Ver=1824. ( X ) dienste – 288 – dienste durch nichts der Alt verdunkelt worden, anerkannt wäre. S. ----
Man liest und hört seit einiger Zelt hie und da den Namen des sel. Jung-Stilling, der allgemein und mit Recht als ein vorzüglicher Ehrenmann gegolten, mit Verunglimpfung nennen. Solcher Verletzung des guten Namens eines Verstorbenen sind diejenigen zu widersprechen verpflichtet, welche seine Freunde im Leben waren , und das trauen wir ihnen auch zu : aber die hinterlassenen Kinder dieses unvergeßlichen Mannes halten sich noch besonders berechtigt Folgendes öffentlich zu erklären : 1) Es ist Verläumdung, wenn Jung = Stilling als ein Sectenstifter bezeichnet wird , und wenn man nach seinem Namen eine Sectirerei stempeln will. Wer seine Meinung über die Lehre seiner Kirche erhebt und dafür eine artei wirbt, mit welcher er sich mehr oder weniger von seiner Kirche absondert, der ist ein Sectenstifter. Das aber war nicht Jung = Stilling, sondert« gerade das Gegentheil. Denn er hat, wie schon seine Schriften beweisen, und wie noch lebende ersonen es aus seinen mündlichen Erklärungen wissen, strenge von jeder Sectirerei abgemahnt , und auch hierin , wie in andern Dingen, sehr entschieden die Untergebung unter die kirchliche und bürgerliche Ordnung , und überhaupt das Christenthum durch Wort und That gelehrt. Wer sich die Mühe nehmen will, seine Lebensgeschichte zu lesen, wird finden, daß er sogar wegen dieser seiner Abneigung gegen Sectirerei von damaligen Eiferern im Leben verfolgt worden , fast so, wie ihn jetzige Zeloten – mit welchem Namen sie sich auch nennen, so sind sie dem Wesen nach doch nichts anders – nach dem Tode verfolgen. Und wer mit der neueren Kirchengeschichte bekannt ist, wird an sein Buch, Theodald oder die Schwärmer, auch in dieser Hinsicht mit Hochachtung gegen die kirchlich – 289 – kirchlich-evangelische Gesinnung des Verfassers denken. 2) Eben solche Verläumdung ist es , wenn man ihm Schuld zu geben sucht , daß er die Auflösung der protestantischen Kirche durch Aufforderung zu einer neuen Gemeinde des Herrn habe bezwecken wollen. Gerade umgekehrt. Er war überzeugt, daß die protestantische Kirche durch unevangelische Lehrer, die den Offenbarungsglauben zu verdrängen suchen, unvermeidlich zur Auflösung würde gebracht werten , wenn es ihnen gelänge, und so sprach er gegen dieses Auflösen und für den wahren Protestantismus. Seine öffentlichen Streitschriften mit einem Eiferer aus der katholischen Kirche [Sulzer] haben seine Treue gegen die evangelischprotestantische , welcher er von ganzem Herzen zugehörte , so klar und fest in dem Publicum ausgesprochen, wie es nicht entschiedener geschehen kann. Aber wie es seinem edlen, frommen Herzen eignete, er liebte und ehrte die Frommen in jeder Religionsgesellschaft. Auch waren Jung = Stillings apokalyptische Ideen, worin einem jeden seine Freiheit bleibt, durchaus entfernt eben soweit von Indifferentismus als von Religionshaß. Weil er aber ein wahrhaft evangelischer Christ in Lehre und Leben war, nicht ein Frömmler , auch nicht ein Pharisäer , nicht ein Buchstäbler , auch nicht ein Zelote, sondern ein wahrhaft freier Denker, ein Glaubensmann und ein freymüthiger Bekenner seines Glaubens, der sich mit allen Christen, in welcher Kirche sie auch standen, herzlich und religiös befreundet fühlte : so genoß er die Achtung, Liebe und Freundschaft von Christen aller Confessionen, ja auch von nichtchristlichen Glaubensgenossen; und vielleicht dürften wir unter diesen selbst auch an Heiden denken, da seine Freunde unter den Missionarien seiner als eines vorzüglichen Christen gerne gedachten. Weil ferner Jung=Stilling die Lehre des Protestantismus nicht nur aus ihrer biblischen Quelle als das be lebend – 290 – lebende Evangelium in sich trug, sondern aus dem Studium der Schriften, die von den Reformatoren und sonst von den bedeutendsten Theologen geschrieben worden, besser kannte, als wohl viele Lehrer der Theologie, so besaß er bei seiner genialen Geisteskraft auch eine Beredtsamkeit in dem Geiste unserer Kirche, wie man sie nur selten finden mag. Das war dieser hochverdiente Mann, das war dieser vorzügliche Christ. Statt der Schmähungen also, wozu auch die ächtjesuitischen Insinuationen gehören, welche seine Wirksamkeit von der Seite her mit Jesuitismus und dergleichen zusammen bringen , ist ihn, die Welt nach seinem Tode etwas ganz anderes schuldig. Zwar bedarf er keines Ehrendenkmals weiter, als das in den Herzen von Tausenden diesseits und jenseits des Oceans noch für ihn lebt und auch dann noch fortwirkt, wenn man ihn nicht mehr nennen wird ; aber Gerechtigkeit verlangen wir für seinen guten Namen. Darum erwarten wir auch von gerechten Schriftstellern, die etwa seiner gedenken, daß sie nicht in die eben gerügten falschen Urtheile über Jung = Stilling einstimmen. Ja wir halten es zugleich für eine Liebespflicht und bitten hierdurch öffentlich darum ; daß da, wo es der Gegenstand mit sich bringen könnte, diese unsere begründete Verteidigung seines guten Namens widerholt werde, – Der älteste Sohn : P. J. H Jung, genannt Stilling, Großherzogl. Badischer Hofgerichtsrath. – Der älteste Schwiegersohn : F. H. Ch. Schwarz, Doctor und Professor der Theologie zu Heidelberg, Großherzogl. Badischer Geheimer Kirchenrath.