Jung-Stilling Kästner und die Mathematik
in Bearbeitung
Jung-Stilling Kästner und die Mathematik
in Bearbeitung
Lebensbaum, Christbaum, Lichterbaum. Tannenbaum, Christmastree …
Bereits Hans Kruse zweifelte in seinem Aufsatz „Der erste Weihnachtsbaum im Siegerlande“ 1923 daran, dass das, was man über Jung-Stillings Verhältnis zu diesem anging den Tatsachen entsprach.
Siehe den interessanten Aufsatz:
Alexander Tille: German Christmas and the Christmas-Tree. - In: Folklore Bd. 3, H. 2, 1892, S. 166-162.
Ausgehend von der Textstelle im „Heimweh“ (Bd. 1, Frankfurt und Leipzig 1794, S. 2 f.):
„Lieber Ernst! fieng meine Mutter an: indem sie ihres Mannes beyde Hände faßte, und ihm seelenvoll ins Angesicht lächelte: lieber Ernst! – wir müssen wohl am Glöckchen ziehen, damit der Vorhang aufgerollt werde.
Mir war's bey diesen Worten zu Muth als wie einem Kinde bey den apocryphischen Sprüchen seiner Mutter am Tage vor dem Christfest: es ahnet etwas herrliches, versteht aber nichts, bis es früh aufwacht, und nun zum hell erleuchteten Lebensbaum mit vergoldeten Nüssen und zu den Schäfchen, Christkindchen, Puppen und Schüsseln mit Obst und Confect geführt wird. Oder wie Freund Claudius bey dem Lesen des Evangeliums Johannis.“
Man nahm danach an, dass Jung-Stilling erstmals von einem solchen Baum berichtete.
Kruse bezog sich in seiner Kritik auf den Aufsatz von Friedrich Kluge aus dem Jahr 1898 und nach diesem verweist er auf „Sturtziade […] I 49“.
Im Jahr 1941 macht Alfred Pfleger in seinem Aufsatz „Weihnachtsbaum und Christkind im alten Elsaß. Mit besonderer Berücksichtigung des Altstraßburger Weihnachtsbrauchtums“ eine Zusammenfassung, in der er auch damals Neues vortrug; so ist die Erinnerung der Henriette von Oberkirch, geb. Waldner von Freundstein (5.06.1754-10.06.1803), aus dem Jahr 1785 hier genannt (Memoiren, Bd. 2, Kapitel 29, S. 133: Thannenbaum, Tannenbaum).
Nebenbei:
Johann Christoph Wedeke schreibt in seinen „Bemerkungen / auf / einer Reise / durch / einen Theil Preussens / von / einem Oberländer. / - [eL] / Erstes Bändchen. / - / Respicere exemplar vitae morumque jubeo. / Hor. de a. p. / - [eL] / Königsberg, / bei Friedrich Nicolovius. / 1803.“, Bd. 1, S. 439 ff.: „so erwählt er schickliche Zeiten zur Vertheilung, gemeinhin das Weihnachtsfest, wo er an irgend einem Orte, entweder in seinem eigenen Hause, oder in den Schulen zu Döbern oder Deutschendorf, kurz wo es sey, einen Lichterbaum aufrichten läßt, woran allerlei Geschenke hängen. Denn man muß nicht denken, daß die Jugend ihre Freude nach der Kostbarkeit der Geschenke abwägt.“
Mit dem zitierten „Sturtziade“-Text ist gemeint das 1802 bis 1808 in drei Bänden erschienene Werk des evangelischen Geistlichen und Schriftstellers
Gottfried Jakob Schaller (auch Geoffroi Jacques Schaller; geb. Obermodern 17.06.1762, gest. Pfaffenhoffen 26.03.1831; Schaller nennt sich in Band 3 als Autor und schmückt diesen Band mit seinem Porträt.)
„Die Stuziade oder der Perükenkrieg [Vignette] Strasburg bei Joh. Heinr. Silbermann XI 1802.“ [2. Titel:] „Die Stuziade oder der Perükenkrieg Vom Verfasser – -- [Motto] Erste Theil. --- Straßburg bey Joh. Heinr. Silbermann. XI, (1802.)“
Hier finde sich der zitierte Text auf S. 49. - Auf S. (1) des „Vorrede“ gibt Schaller die Aufklärung: „“) Stuz heist so viel, als Perüke. S. des braven Langbeins Bräutigamsspiegel.“ – Vgl. Stuzen/stutzen: kürzer machen. – Stutzperücke: kurze Männerperücke („perruque courte“) des 18. Jhs., im Gegensatz zur schulterlangen Allongeperücke. – Suffix -iade bei Namensbildung. – Langbein (1757-1835): „Der Bräutigamsspiegel.“ – In: „Gedichte von August Friedrich Ernst Langbein. Erster Theil. Leipzig, 1800.“, S. 134-137
Interessant ist, dass allen Lesern in diesem Zusammenhang entgangen ist, dass Jung-Stilling im zweiten Band im 14. Gesang (S. 202 ff.) genannt ist.
„‘Hier, rief er [d. i. Momos] nun, hier ist es schön!
Doch alles zu beschreiben,
Dazu bin ich nicht auserseh‘n,
Und lass‘ es klüglich bleiben;
Wer es indeß zu seh‘n begehrt,
Dem zeigen‘s, hoch und tief gelehrt,
Die Seher Jung und Thube.‘ *)“ Die Anm. lautet:
*) Herrn Hofrath Jung‘s in Marburg, Scenen aus dem Geisterreiche sind wohl Wenigen unbekannt. Lezterer, Herr Chr. Gottl. Thube, sein [S. 225:] würdiger Bruder in der Apokalypse, ist Pastor zu Baumgarten in Meklenburg=Schwerin.“
Buchgeschenke scheinen für Jung-Stilling zu Weihnachten typisch zu sein,
1807-01-28 schrieb Jung-Stilling an Friedrich Rudolf Saltzmann: Petilliet versprach imir in sämtliche Schriften der Mad Guyon und Fenelons zu schicken, ich freute mich darüber wie ein Kind auf sein Weihnachts Geschenk und nun kommen die Sachen nicht, […]“. Am 1808-12-17 will er ein Buch an seinen Sohn verschenken.
Literatur mit Herkunftsnachweisen und Gebräuchen (1494, 1605)
Meyer, K. A.: Vom Weihnachtsbaum. – In: Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen (= Swiss foresty journal; = Journal forestier suisse) Bd. 111, H. 12, 1960, S. 685-688. –
Wagner, Rudolf Etwas über die Herkunft und Geschichte unseres Weihnachtsbaumes- Eine kulturgeschichtliche Skizze. – In: Am häuslichen Herd. Schweizerische illustrierte Monatsschrift Bd. 33, H. 6, 29-1930, S. 140-142.
„War Max von Schenkendorf katholisch?“
Die Jahre 1912 und 1913 gelten als Vorfeld des Ersten Weltkriegs, in denen auf dem Balkan Krieg herrschte. Am 1. November 1913 zum griechisch-osmanischen Friedensabschluss in Athen. Die Spannung der Zeit spiegelt sich in den Inhalten der Zeitungen. Am 16, November 1913 publiziert ein G. Fuchs aus Leipzig für die Bewohner des Siegerlands den Artikel: „Die deutsche Reformation und die deutschen Freiheitskriege.“ und schreibt darin: „Ein Katholik, Max von Schenkendorf, erinnert die Nation an eine gemeinsame Sündenschuld“. – Ein Katholik!
Joseph von Eichendorf publizierte 1847 den Aufsatz „Die geistliche Poesie Deutschlands“, worin er schreibt:“ Soll denn auch unsere Frömmigkeit bei dem Protestantismus betteln gehen? Wir lassen ihren religiösen Dichtungen, wenn sie es verdienen, gern und unumwunden volle Gerechtigkeit wiederfahren, ja, wir würden keinen Anstand nehmen, einige der besten Kirchenlieder von Dach, Gerhard, Novalis oder Schenkendorf freudig als die unseren anzuerkennen.“ – Ein Protestant!
Schon 1873 schrieb Franz Hipler (1836-1898) klarstellend: Max von Schenkendorf „blieb, obgleich er [S. 259:] nicht konvertirte, bis an sein Ende ein Gegner Luther’s, der ihm die Einheit der deutschen Nation in Staat und Kirche gebrochen hatte, während ihm das Papstthum und dessen damaliger Träger, der greise Dulder Pius VII [.], ‚der Hirte der einen Kirche‘, stets ein Gegenstand der höchsten Verehrung war. – Uniert?
Texthinweise:
1810-03-07: Es erscheint Max von Schenkendorfs „Ein Hymnus des Mittelalters“ in der Zeitschrift „Der Spiegel“ vom heutigen Tag.
Die Einleitung lautet:
„Viele herzerhebende Gesänge sind aus jener Zeit des lebendigen Glaubens uns noch übrig. Manche sind verloren gegangen in dem alles verschlingenden Strome der Zeit, aber welche uns noch übrig geblieben, z. B. Dies irae, dies illa - wer kennt ihn nicht aus Mozarts ewig unvergänglichen Requiem? Stabat mater dolorosa mit Pergolesis himmlischer Musik und andere, bieten dem Verehrer ächt christlicher Poesie heilige Erhebung. Einer dieser Gesänge, dessen eingentlicher Verfasser Accursius seyn soll, steht in einer Sammlung: Hymni sacri in ecclesiae calamitatibus, 4to. Brixiaq 1593. Ich theile ihn hier nebst einer möglichst treuen, der Versart des Originals sich genau anschmiegenden Uebersetzung mit, Stil und Versart des Originals sprechen deutlich das 16te Jahrhundert aus.“
1814
An die h. Jungfrau. […]
in:
Christliche Gedichte. - Frommen Jungfraun und Mägdlein zur Weihnachtsgabe - 1814.
1815
Allerheiligenfest.
An Karoline Stilling, 1815.
[…]
O der übergroßen Freud',
Welche nicht ist auszusagen,
O der Zier und Herrlichkeit,
Welche Gottes Heil'ge tragen!
Aller Heil'gen Tag,
Welchen Gott gegeben,
Daß er laben mag
Uns im längsten Leben!
Himmelan die Augen klar,
Himmelan das Herz gehoben,
Daß wir mit der Heil'gen Schaar
Unsern Hirt und Meister loben!
Schwester, gib die Hand,
Denn auf gleichen Wegen
Ziehn wir einem Land,
Einem Heil entgegen!
Friedrich Förster, dem Max von Schenkendorf als „frommer Ritter“ erschien (V, 34). war zugleich „der Waffensänger der deutschen Erhebung“ (Josef Nadler). Wilhelm Kosch ist er der begeisternde, Katholiken und Protestanten versöhnende ostpreußische Edelmann“ und Emilie Charlotte Elise Polko, die ihn „Friedrich Ferdinand Gottfried Max Schenk von Schenkendorf“ nennt, resümiert: „Bedeutender noch als seine patriotischen Lieder sind seine religiösen Gedichte.“ Eduard Emil Koch schließt sich diesem Urteil in seine „Geschichte des Kirchenlieds und Kirchengesangs“ an.
Walther Hubatsch würdigt den „empfindsamen, an Schiller gereiften Schenkendorf“ durch die Aufnahme in seine „Geschichte der evangelischen Kirche Ostpreußens“.
Ähnlich fasst Heionrich Funcke 1918 zusammen: „Unter den Dichtern aus der Zeit der Befreiungskriege hat keiner so begeistert und begeisternd den christlichen Glaube» bekannt, wie Max von Schenkendorf. Fast alle seine Gesänge durchzieht eine religiöse Grundstimmung; sie fordern Reinigung und Verklärung des deutschen Volkstums durch das Christentum und machen die Befreiung des Vaterlandes und die Wiedererringung staatlicher und bürgerlicher Freiheit abhängig von der Wiederkehr zum frommen Glauben und zur frommen Sitte .“
In den 1930er Jahren fragte man dann erneut: „War Schenkendorf katholisch?“ Als Antwort kam: „Max von Schenkendorf evangelisch“!
Im Rheinland veröffentlichte man z. B. die Taufurkunde, was kaum der Forschung bekannt war, um diese „Evangelizität“ nachzuweisen.
Nat. d. 11t December ren. d. 23. Dec:
von Schenkendorf, H. Lieutenant u. Nota den / fol-
Salz Factor George Heinrich / Ferdinand. genden / Sohn
mat: Charlotta Louysa geb. Karriussis dieser / Eltern
fili9
Gottlob Ferdinand Maximilian Gott-
fried.
Carl Lud= / wig
Namens / Johann
Testes: / H. General v. Borck, Tugendreich /
plan D / Karrius, H. Just:Amtm: 24t. Junius morg
Bolz , Fr Ob:Lieut: v. Frankenb. um 4 Uhr gebohr /
Jfr. Bolzin. und den 10: July
/ getauft worden
/ Siehe P. 606
/ unter den Taufen 1789
Original heute: EKU, Taufregister Tilsit/Ostpr.-Stadt, Jg. 1783, S. 498.
Diese damalige Antwort der Pastöre ist bis heute zutreffend. Die Nähe zur römisch-katholischen Kirche ist sicher auch durch das Umfeld Max von Schenkendorfs bedingt. Noch nach seinem Hinschied ist das nachzuweisen: Die Gattin Elisabeth geb. Barkley (s. o.) sorgte dafür, dass in der Kölner Elendskirche die Exequien für ihren Gatten Max gelesen wurden.
Brieflich erbat sie sich aus Koblenz diese Messe in Köln. Der Empfänger schreibt dazu: „Er [der Brief] enthält vor allem eine Bitte, die uns als Katholiken höchlichst überrascht, aber auch mit großer Hochschätzung und Bewunderung vor einer Frau und Protestantin erfüllen muß.“
Man notiert später: Die Exequien „wurden am 3. Januar 1818 in der Elendskirche veranstaltet“. Diese Amtshandlung verursachte Kosten, aber es wurde die „Forderung von Rth. 24 auf 18. herunter[gehandelt].“
Diese Exequien fanden im Beisein von Eberhard de Groote, Joseph de Groote und deren Vater Erhard Anton Hermann Melchior von Groote u. a. statt. Ein Teilnehmer vermerkt: „Die vielen kleinen Messen sind ein wahrer Unfug.“
So muss auch die erst seit 1908 römisch-katholische Pfarrkirche St. Nikolaus in Rüppurr, heute ein Stadtteil von Karlsruhe in Baden-Württemberg, in ihrer Festschrift „200 Jahre Nikolauskirche Karlsruhe-Rüppurr 1776-1976“. Hrsg. v. d. Kathol. Pfarrgemeinde Christkönig. Karlsruhe-Rüppurr (1976) S. 53-54, den Aufsatz von Karl Baier: „Max von Schenkendorf (1783-1817)“ veröffentlichen.
Grundlegende Untersuchungen fehlen noich.
Ergänzungen
Zu „Theobald“ Bd. 1, S. 52 f.
„Als nun Rock recht im Reden begriffen war, ▫ kam Marsay mit einem Eimer voll kalten Wassers, und stürzete es auf einmal über den Redner ▫ her; 146 dieser erschrack, kam zu sich selbst, und von ▫ der Zeit an kam der Paroxismus nicht wieder, und Rock hielt auch keine Reden mehr.“
Anm. dazu:
Siehe Anm. 132; in dem dort genannten Brief heißt es: „Von Augenzeugen weiß ich die Geschichte mit dem Eimer Wasser und Marsay war ein sehr teuerer Mann.“ – A[lbert]. Heider (Anm. 141) S. 70: „Die von Jung=Stilling in Theobald 1785 I 51-53 erzählte Anekdote von Rock und Marsay ist eingestandener und erwiesener Maßen eine unbegründete Sage. Richtig ist, daß Marsay später ein Gegner des Inspirierten Rock war, weil dieser die Mystiker angriff.“; ebd. S. 71 zusammenfassend über die Bewohner: „und gewiß können wir aus Jung=Stillings Schriften schließen, daß die Kunde damals von ihnen im ganzen Siegerlande verbreitet war.“
Zu ergänzen ist, was 1850 bereits Rudelbach S. 469 andeutet: „Man hat mit Unrecht diese Geschichte bezweifelt“.
Andreas Gottlob Rudelbach [geb. Kopenhagen 29.09.1792, gest. Slagelse 3.03.1862]:) schreibt über Jung-Stilling S. 435-514:
Christliche Biographie. / - / Lebensbeschreibungen / der / Zeugen der christlichen Kirche / als Bruchstücke zur Geschichte derselben / von / Dr. A. G. Rudelbach. / - / Erster Band. / - / Leipzig 1850. Dörffling und Franke.
Biographieen von Zeugen der christlichen Kirche aus verschiedenen Jahrhunderten von Dr. G. A. Rudelbach. – Leipzig, 1850. Dörffling und Franke.
Max Goebel (GÖBEL: Jugend schreibt S. 48 in der Fußnote: das Werk, „welches wahrhaft wissenschaftlichen Werth hat, jedoch das Bild Stilling’s und seiner Zeit bei allem darauf verwendeten treuen Fleiße aus Mangel an Quellen und Orts- und Personenkunde und eingehendem Studium aller seiner religiösen Schriften nur theilweise getroffen und Manches verfehlt hat.“
Rudelbach verweist auf:
„Johann Lorenz von Mosheim Kirchengeschichte des Neuen Testaments, aus desselben gesammten grössern Werken und aus andern bewährten Schriften mit Zusätzen vermehret und bis auf die neuesten Zeiten fortgesetzet. Sechster und lezter Band, zweyte und lezte Abtheilung, welcher den Rest der Geschichte des achtzehenten Jahrhunderts enthält, von Johann Rudolph Schlegel, Gymn. Rector zu Heilbronn. – Heilbronn, In der Eckebrechtischen Buchhandlung. 1788.“ = „Zweite Abtheilung des zweiten und lezten Bandes der Kirchengeschichte des achtzehnten Jahrhunderts.“, S. 1054, in „Des II. Abschn. II. Th. IX. Hauptst.“, in (S. 1041 ff.) „Neuntes Hauptstück. Geschichte der Schwärmer.“ (§ 263 ff.), § 255 (S. 1047-1054), hier S. 1054:
„aber der Graf hörte nicht auf, Rocken für ein grosses und wichtiges Subject zu halten, das viele Erfahrung in Seelenführungen habe, wenn gleich sein Geist und [S. 1054:] und seine Irrthümer an seinem Willen eben so viel Antheil hätten, als an seinem Verstande. * Nach Rocks Tode, der 1749. zu Gelnhausen erfolgte, haben die Begeisterungen ziemlich aufgehört, und sind allem Ansehen nach ganz erloschen.“
„* Siehe von dem, was zwischen Rock und Zinzendorfen vorgegangen, den geheimen Briefwechsel des Hrn. Grafen von Zinzendorf mit den Inspirirten, und Spangenb. Leben des leztern. S. 631. 636. 638. 775. f. Wenn die Anekdote wahr ist, die Prof. Jung in seinem Theobald von Rocken erzählt, so hat ihn ein Franzose, der in der Nachbarschaft wohnte, der auch ein wenig Schwärmer war, aber an Rocks Prophetengabe nicht glaubte, durch ein leichtes Mittel von seiner Prophetenwuth geheilt. Er schüttete mitten im Paroxysmus einen Kübel kaltes Wasser auf ihn – und Rock sprach von derselben Zeit an keine Orakel mehr [.] – Ein Mittel, das verdiente, bey manchen Schwärmern neuerer Zeit versucht zu werden !“
Bezogen wird hier:
„Geheimer Brief=Wechsel Des Herrn Grafens von Zinzendorf Mit denen Inspirirten, = Woraus Dessen unevangelischer Sinn und Absichten deutlich zu ersehen sind. = Nebst [S. 347 ff.] einem Anhang anderer hieher gehörigen merckwürdigen Schriften. [Vignette] = Franckfurth und Leipzig, Bey Christoph David Meltzern, 1741.“
S. 322 f.:
„Weil durch den Geist des HERRN in der Aussprachevom16. Jan. 1739. pag. 295. ist anbefohlen worden: daß, sein Zeugnus an das Schlangen=Nest geschehen, auch ans Tage=Licht kommen sol; darum wird folgende Aussprache hier angehänget und dem Publico communiciret. Anno1738. Zweybrücken den 6. Febr.“ […, S. ] Darum will ich antasten das kindische Spiel, das Fleischbeinische und Marseische Poppen=Werck und vorgegebene Geist=Treiberey; da es doch nur Phantasien=Spiel ist aus dem Gestirn oder Stern-Geist erbohren.“ Hier liest man
S. 339:
„Hermann und Edelmann! (Welche beyde auch gegenwärtig, und miteinander, in einen Streit= und Schrift=Wechsel gerathen, übers laute Beten &., welches der erstere wollte behaupten, der andere aber gäntzlich verwerfen &.)“
S . 342:
„Wie unser jetzt lieber Feind Edelmann, (Schreiber der sogenanten unschuldigen Wahrheiten &.) durch dieses Wort und Zeugnus, ist angegriffen worden, muß er noch immer selber, fast wie unsinnig, mit entsetzlichem Schelten, Schmähen, Lügen und Lästern, der Welt öffentlich, aus seinem Hertzen, zu erkennen geben.“
Edelmann, Johann Christian (1698-1767): Unschuldige Wahrheiten: Gesprächsweise abgehandelt zwischen Doxophilo und Philaletho, worinnen von allerhand; theils verfallenen, theils gegenwärtig unterdrückten, theils noch unbekanten Wahrheiten, nach Anleitung der Bibel, auf eine freymüthige und aUfrichtige Art geredt wird … Faks.-Neudr. d. Ausg. 1735-1743. Stuttgart/Bad Cannstatt: Frommann 1970. – Vgl. zu Edelmann WINCKEL: Casimir; KLOSE: Edelmann, auch Walter Grossmann: J. C. E. From orthodoxy to Enlightement. Den Haag u. Paris 1976, S. 87-110.
Ebd. S. 1060 f.: zu Eller, Wülfing usw.;
S. 1060: „Er heirathete zuerst eine Witwe, mit welcher er ein ansehnliches Vermögen bekam. Er fieng aber bald an, lüderlich zu leben, und seine Frau des Umgangs mit dem Teufel zu beschuldigen. Weil sie schwächlich wurde, so nahm er Anna von Buchel, eine Bäckerstochter, zu sich, die von ihm mit schwärmerischen Ideen erfüllt war, und bestimmte sie neben der Seinigen, die er für die Babylonische Hure erklärte, zur Ehefrau. Die erste nannte er Vasthi, die andere Esther, ließ ſich auch nach der Vasthi Tode mit der Esther trauen, nannte sie die Zionsmutter, sich aber den Zionsvater, weil von ihnen das Reich Gottes ausgehen sollte.“
S. 1061: „Es ist zu verwundern, daß diese wüste Schwärmerey, die von 1726. an bis 1749. getrieben wurde, unentdeckt blieb, bis endlich ein gewesener Candidat, der eine Zeitlang Kaufmannschaft zu Ronsdorf getrieben hatte, Joh. Werner Knevels, die Sache bey der Synode zu Wald anzeigte;“.
Vgl. auch:
„Geheime Handlungen und Briefwechsel Hrn. Grafen von Zinzendorfs und der Herrnhuther, Mit dem Vorsteher der Isenburgischen Inspirirten-Gemeine Johann Friedrich Rock Gräfl. Isenburg-Büdingischen Hof Sattler Als Nöthige Beylagen Zu deren Brüderlichen Vereinigung Und Hierauf geführten Liebes-Krieg. – Franckfurth am Mayn 1741.“
„Beyspiel eines äusserst crassen Aberglaubens“
1795-07-03 findet die Hinrichtung eines Mörders auf dem Richtplatz, der „eine ziemliche Strecke vor den Thoren Marburgs liegt“ statt. Leonhard Johann Carl Justi war mit seinem Amtskollegen Johann Ludwig Henrich Fenner seitens der Kirche, Johann Karl Heinrich Gottfried Hille seitens der Justiz mit diesem Fall beschäftigt. Erstere begleiteten den Delinquenten Johannes Immel zur Richtstätte.
Johannes Immel, Bauer, etwa 40 Jahre alt, aus Erxdorf im Amt Rauschenberg, war verheiratet und hatte vier Kinder. Er stand in Geschäftsverbindungen mit dem Juden Aaron Isaak aus Allendorf bei Mainz. Beim Ochsenverkauf kam es unter Alkoholeinfluss dazu, dass Immel den Juden schlug, und um den Vorfall zu vertuschen diesen mit der Barte, einem Beil mit breiter Schneide, erschlug.
Bei der Hinrichtung mit dem Schwert ließ ein Landmann sein epileptisches Kind von dem Blut des Enthaupteten trinken, um dieses dadurch zu heilen. Dies wird dann als „Beyspiel eines äusserst crassen Aberglaubens“ benannt.
Im Anschluss an einen Bericht aus Seyda in Sachsen über die dortige Räderung des Johann Friedrich Weßlau aus Zahna am 1795-08-14 schreibt ein Einsender den Nachtrag zum Bericht über die Enthauptung Immels. Er hält die Begleitung von Verurteilten durch Geistliche für unzweckmäßig, da es das Vorurteil bestärke, „daß man ein Leben voller Verbrechen noch im letzten Augenblicke durch Selbsttäuschung und das Spiel der Phantasie mit gewissen Bildern und Ideen gut machen könne, […]“
NB: Weßlau war Huf- und Waffenschmied, etwa 40 Jahre alt; verurteilt wegen Straßenraubes und Menschenmordes. Sein Steckbrief vom 1794-04-06 wird z. B. in der „Bayreuther Zeitung“ abgedruckt.
Nach dem umfangreichen Zeitungsbericht, der nur mit „J.“ unterzeichnet war, wird dieser im August im Salzburger Intelligenzblatt nachgedruckt. War er zuvor unter dem Titel „Folgen des Eigennutzes und des Zornes“ gedruckt worden, so wird hier die erzieherische Absicht noch deutlicher:
Das „Salzburger Intelligenzblatt“ leitet den Text ein mit einer Sentenz: „Der Mensch ist von Natur, wenn er sich selbst überlassen, wild aufwächset, träge, unwissend, unvorsichtig, unbedachtsam, leichtgläubig und gedankenlos; furchtsam und dabey ohne Gränzen gierig, und wird dann durch die Gefahren, die seiner Schwäche, und durch die Hindernisse, die seiner gierigen und anspruchvollen Selbstsucht in den Weg kommen, krumm, verschlagen, heimtükisch, undankbar, mißmüthig und dabey verwegen, rachgierig und grausam: - das ist der Mensch, wie er im Gewirre und im Drang des gesellschaftlichen Lebens, sich selbst überlassen, wild aufwächset, werden muß. – Eltern! Bieget eure Kinder, fast ehe sie noch wissen, was links oder rechts ist, zu dem, wozu sie gebogen seyn müssen! Pestalozzi.“ Am Schluß ergänzt das „Salzburger Intelligenzblatt“ mit einer Anmerkung das Original: „Möchten alle Aeltern und Jugendlehrer, welche dieses lesen, aufs Lebhafteste dadurch überzeugt werden. was für ein wichtiger Theil der Erziehung die Bildung des Gemüths des jungen Menschen, die Verwahrung dessen vor heftigen Leidenschaften aller Art sey!“
Justi, empört durch den erlebten Aberglauben, publiziert mit dem am 1795-09-25 unterzeichneten Vorwort die kleine Schrift:
Warnung vor dem Aberglauben, eine Predigt über Apostelgeschichte 17, 22; auf Veranlassung einer bey der am 3ten Julius 1795 geschehenen Hinrichtung eines Mörders auf dem Richtplatz vorgefallenen öffentlichen höchst auffallenden Aeußerung desselben am Sonntag nachher gehalten, und mit einem Sendschreiben an die lutherischen Prediger des Oberfürstenthums Hessen, Casselischen Antheils, begleitet. Halle: Curt 1795; S. (1)-45.
In ihr verurteilt er aufs Schärfste den gesehenen, erlebten Aberglauben:
„darf der Aberglaube so öffentlich und ungerügt der Vernunft Hohn sprechen? darf er es an einem Orte thun, wo eine Universität ist? – eine Anstalt, welche ihrer Bestimmung nach der Unvernunft aller Art entgegenarbeiten soll? – darf er hier am Sitze der Weisheit – (und wenn auch nur vor dem Thor desselben) ohne eine Rüge zu erhalten, sein Wesen treiben? – das sey ferne!“
So wundert es nicht, dass er auch, auf der Suche nach den Ursachen des Aberglaubens, der Vernunft und Menschheit entehrt, auf Geister und ihre Beschwörer zu sprechen kommt. Schröpfer, St. Germain und Cagliostro sind ihm „Gelichter“ und vor allem Betrüger.
In dieser Art klärt Justi auf; was mag sein Kollege Jung-Stilling dabei gedacht haben? Im Jahr 1808 erschien ja dessen „Theorie der Geisterkunde“.
Max von Schenkendorf schrieb am 20. Februar 1813:"Er [= Jung-Stilling] gilt für einen Schwärmer / - Doch wer gilt nicht dafür? und bald wird das wohl ein Ehrentitel / seyn. Zur Erneurung dieses Vorwurfs hat seine Theorie der / GeisterKunde viel beigetragen. Ob ein solches Buch überhaupt / geschrieben werden sollte will ich dahin gestellt seyn lassen, / und daß die Beispiele darin schlecht gewählt sind gebe ich / gerne zu; aber das System selbst ist ungemein scharfsinnig, / und ich glaube daß der geförderte animalische Magnetismus noch mehr / Licht hierüber verbreiten wird. Das Buch ist übrigens geschrieben / Gespensterfurcht zu vertreiben und nicht zu erwecken."
Seite 4 von 73